SBFI-Finanzierter ERC Grant für Tobias Donner
Tobias Donner, Senior Scientist und Dozent in der Gruppe für Quantenoptik am Institut für Quantenelektronik, hat einen SBFI-finanzierten ERC Consolidator Grant erhalten. Mit den zugesprochenen Fördermitteln will er nun die grundlegenden Prinzipien der Wechselwirkung zwischen Quanten-Vielteilchensystemen und Licht erforschen.
In den vergangenen Jahren haben sich die Quantenwissenschaften stark gewandelt: Längst haben sie das Stadium einer primär beobachtenden und beschreibenden, physikalischen Naturwissenschaft verlassen. Heute stellen sie ein interdisziplinäres Forschungsgebiet dar, das sich neben der reinen Grundlagenforschung ebenso der Entwicklung neuer, steuerbarer Quantentechnologien widmet, die sich dereinst auch in der Wirtschaft etablieren dürften. Die Schweiz und namentlich die ETH Zürich haben sich in diesem Feld eine international starke Position erarbeitet.
Davon zeugt auch der «SBFI-finanzierte ERC Consolidator Grant», den der Quantenphysiker Tobias Donner jüngst für sein Projekt «Cavity QED with Strongly Correlated Fermionic Matter (CASCOFEM)» zugesprochen erhalten hat. Donner lehrt und forscht als Senior Scientist und Dozent am Departement Physik. Ausserdem wirkt er an der Planung des neuen Physikgebäudes HPQ für Quantentechnologien mit, bei dem die Bauarbeiten Ende Oktober 2022 begonnen haben. Sein wissenschaftlicher Fokus liegt auf Experimenten mit ultrakalten Quantengasen.
Eigenschaften von Quantenmaterie mit Licht manipulieren
Dieses Know-how fliesst in das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) evaluierte Forschungsprojekt ein, das nun mit Mitteln des schweizerischen Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanziert werden wird. «Mit den Mitteln aus dem ‹Grant› werden wir die Grenzen von Quanten-Vielteilchensysteme erkunden, die stark an Lichtfelder gekoppelt sind», führt Donner aus.
Die Quanten-Vielteilchenphysik erforscht Systeme, in denen eine grosse Anzahl von Teilchen miteinander nach den Gesetzen der Quantenmechanik wechselwirken. Dabei geht es nicht nur darum, die entstehenden Eigenschaften dieser Systeme zu verstehen, sondern sie auch so zu kontrollieren, dass sie die Grundlage neuer Technologien bilden können. Die Kopplung von Quanten-Vielteilchensystemen mit Licht, wie sie Donner vorhat, könnte einen Weg ebnen, um dereinst die Eigenschaften von Quantenmaterialien – wie Magnetismus oder Supraleitfähigkeit – gezielt zu beeinflussen.
«Unser Forschungsprojekt öffnet ein Fenster, um Vielkörperphänomene zu verstehen, zu kontrollieren und sie in verschiedenen Disziplinen anzuwenden, die von der Materialwissenschaft über die Quanteninformationswissenschaft bis zur Hochenergiephysik reichen», sagt Donner, «vielmals steckt unser Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen jedoch noch in den Kinderschuhen.»
Experimentell neue Wege einschlagen
Dank der Finanzierung aus dem Grant kann Donner nun eine experimentell noch kaum erprobte Vorgehensweise einschlagen: Um die grundlegenden Prinzipien der Wechselwirkung zwischen Quanten-Materie und Licht zu erforschen, wird Donner eine experimentelle Plattform aufbauen, in der sich fermionische Atome stark an Photonen, also an Lichtquanten oder Lichtteilchen, koppeln lassen.
Quanten-Teilchen lassen sich zwei fundamentalen Klassen zuordnen: sie sind entweder Fermionen oder Bosonen. Die Art des Teilchens definiert zugleich Eigenschaften der Vielteilchensysteme, die sie bilden. «Bislang konnten wir erst bosonische Atome untersuchen, die an Lichtfelder gekoppelt sind. «Viele Eigenschaften von Quantenmaterialien werden jedoch durch fermionische Teilchen bestimmt», sagt Donner. Wie diese lichtinduzierten Eigenschaften im Falle der Fermionen genau entstehen und manipulieren lassen, werden die Forschenden nun mit Techniken aus der Quantenoptik untersuchen. Dazu erzeugen sie synthetische Materialien aus ultrakalten Atomen, die dann an ein zwischen zwei Spiegeln eingeschlossenes Lichtfeld gekoppelt werden.
Auswirkung des Teilausschlusses bei Horizon Europe
Der Zuspruch des SBFI-finanzierten ERC Grants an Tobias Donner erfolgt in einem Moment, in dem auch die Quantenforschenden vom Teilausschluss der Schweiz aus dem europäischen Forschungs- und Innovationsförderprogramm Horizon Europe betroffen sind. Donner selbst hat für seinen Consolidator Grant noch das Begutachtungsverfahren beim ERC durchlaufen. Da der ERC seine Fördermittel nur an Forschende ausbezahlt, die an einer Forschungsinstitution in einem Land arbeiten, das EU-Mitglied oder bei Horizon Europe assoziiert ist, müsste Donner die Hochschule wechseln, um die Mittel des ERC zu erhalten. In dieser Situation springt das SBFI ein und stellt ihm – und allen Forschenden in der Schweiz, die in derselben Situation sind wie er – den entsprechenden Betrag aus den Mitteln zur Verfügung, die vom Bundesparlament für die Assoziierung bei Horizon Europe gesprochen wurden.
Aktuell ist die Schweiz bei Horizon Europe nicht assoziiert, sondern als Drittstaat eingestuft. Das hat zur Folge, dass sich Forschende nicht mehr für ERC Grants mit einer Schweizer Institution als Host bewerben können. Ausserdem sind die Wissenschaftler:innen in der Schweiz auch von diversen Ausschreibungen zur Quantenforschung ausgeschlossen, bei denen die EU keine Drittstaaten – oder teilweise sogar nicht einmal alle assoziierten Staaten – zulässt. Eine finanzielle Hilfe stellt in diesem Zusammenhang der externe Seite Quantum Transitional Call dar, mit dessen Durchführung das SBFI bereits den SNF beauftragt hat.
Einen Ersatz für die Möglichkeiten europäischer Zusammenarbeit in der Quantenforschung, wie sie beispielsweise das Quantum Flagship Programm bot, kann eine solche Förderung allerdings nicht bieten. Auf internationale Vernetzung wie auch die Diversifizierung der internationalen Partnerschaften zielen die externe Seite Ergänzungsmassnahmen ab, die der Bund in diesem Jahr beschlossen hat. Da es hier noch keine Ausschreibungen gibt, sind allerdings auch noch keine Details dazu bekannt.
Für die Forschenden selbst sei es eminent wichtig, sagte Tilman Esslinger, Professor für Quantenoptik am Institut für Quantenelektronik der ETH Zürich, unlängst bei der Veranstaltung «Die Schweiz und Horizon Europe», dass die Schweiz bei diesem Forschungsprogramm assoziiert ist, denn nur so werden ihre Forschungsvorhaben von den gleichen, europaweit anerkannten Expert:innen-Panels und nach den vom ERC etablierten Exzellenzstandards beurteilt. Dieser direkte, internationale Vergleich und Gütenachweis fehlt, wenn die Schweiz im Alleingang Forschungsvorhaben begutachtet und fördert. Das gilt besonders auch für junge Forschende, für die der Forschungsplatz Schweiz durch den Teilausschluss an Attraktivität einbüssen dürfte.