Schweiz gewinnt die Physikweltmeisterschaft
2022 hat das Schweizer Team die Physikweltmeisterschaft, das International Young Physicists' Tournament (IYPT) gewonnen. Singapur und Polen belegten den zweiten und dritten Rang.
Wer kann mitmachen?
Schweizer Mittelschüler:innen nehmen seit 2003 jedes Jahr am International Young Physicists’ Tournament IYPT teil, das in den 80er-Jahren in der damaligen Sowjetunion initiiert wurde. Alle Schweizer Mittelschüler:innen können am Swiss Young Physicists' Tournament SYPT in Dreierteams teilnehmen und sich so für das internationale Tournier qualifizieren. Vor der Covid-Pandemie waren jedes Jahr rund siebzig, dieses Jahr waren dreissig Mittelschüler:innen dabei. An den internationalen Turnieren 2013, 2016 und 2019 waren die Schweizer Teams jeweils auf dem dritten Rang. 2022 gewann das Schweizer Team nun das erste Mal die Physikweltmeisterschaft.
Die Chance, sich mit Gleichgesinnten aus 25 Ländern zu messen
Im März 2022 qualifizierten sich in der Vorausscheidung zur Weltmeisterschaft, die an der ETH Zürich stattfand, fünf Schweizer Schüler:innen für das internationale Turnier. Mittels 17 lange im Voraus vorgegebener externe Seite Physikprojekte massen sie sich anschliessend mit Gleichgesinnten aus aller Welt. Dabei ist vertieftes Verständnis der Physik, Teamarbeit, Projektplanung sowie Diskussionsführung und gute Präsentationstechniken notwendig. Diese überfachlichen Fähigkeiten sind auch später im Studium und Beruf wertvoll.
Erfahrung ist wichtig für den Erfolg
Die beiden Teamleader Ophélie Rivière und Jakob Storp, studieren im vierten, respektive sechsten Semester Physik an der ETH Zürich und führten das Schweizer Team zum Sieg am IYPT, das vom 15. bis 25. Juli 2022 an der «West University of Timișoara» in Rumänien stattfand. Beide waren früher selbst schon an Turnieren dabei und konnten zusätzlich auf der langjährigen Erfahrung der Schweizer Delegation aufbauen. Aus Erfahrung wissen sie auch, wie wichtig es neben der intensiven Vorbereitung ist, ihr Team im richtigen Moment spontan zu motivieren.
Ophélie Rivière und Jakob Storp, wie kams zum Gewinner-Team?
«Mittelschüler:innen aus der ganzen Schweiz haben zusammen mit uns schon seit Herbst 2021 an den Problemstellungen gearbeitet, Experimente und Auswertungen gemacht. Voraussetzung ist, die Problemstellungen gründlich zu verstehen. Die Schüler*innen haben bereits für das nationale Turnier sehr viel gearbeitet. Die für das internationale Turnier gewählten Personen sollen auch im Team gut funktionieren, schnell und bedacht reagieren, Aufgaben gemeinsam lösen und sich gegenseitig helfen können. Ein schlagkräftiges Team braucht Personen mit unterschiedlichen Stärken, die sich gut ergänzen.»
Worauf habt ihr beim Coachen besonders geachtet?
«Präsentationstechnik und Visualisierung ist für das Turnier zentral. Es geht darum, die recht komplexen Projekte in nur zwölf Minuten nachvollziehbar und überzeugend den gegnerischen Teams zu vermitteln. Wir haben viel an den Präsentationen gearbeitet – zum Schluss in Rumänien sogar noch über Nacht. Die gegnerischen Teams hinterfragen die Präsentationen daraufhin. Sie hören also ganz genau zu und prüfen wohlwollend und differenziert, ob die Argumente hieb- und stichfest sind. Das hinterfragende Team wird ebenfalls benotet und muss die Methode der Präsentierenden genau nachvollziehen können: welche Annahmen getroffen worden sind, mit welchen Schwierigkeiten das präsentierende Team kämpfte, auch ob nicht zu stark vereinfacht wurde. Also haben wir beim Coachen strategisch auch viel Wert auf das Hinterfragen gelegt. Das Team soll nicht nur auf das eigene Projekt fokussieren.»
Sind Mittelschüler*innen mit dem Gymnasialstoff bereit für das Turnier?
«Grundsätzlich ja. Doch während projektorientierte Unterrichtsformen immer mehr aufkommen, bleibt im regulären Unterricht oft wenig Zeit für solche vertieften Diskussionen. Sie wachsen aber in der langen Vorbereitungszeit auch in ihre Rollen und lernen ihre Stärken und Schwächen besser kennen. Wir versuchen diese wahrzunehmen und zu fördern. Das Wichtige ist: wir arbeiten gemeinsam an einem Klima gegenseitigen Vertrauens – eine Grundlage, um zu den eigenen Schwächen stehen und auch um Diskussionen aus einer produktiven Perspektive führen zu können. Wird zu aggressiv kritisiert, gibt es Abzüge. in diesem Bereich kann man immer etwas dazulernen. Auch kann am Turnier nicht einfach eine fertige Lösung präsentiert werden; der Weg zur Lösung muss verstanden sein und erklärt werden können. Im Fachlichen gibt es Bereiche wie die Fluiddynamik, die in den Gymnasien unserer Erfahrung nach wenig gelehrt wird. Wir wollten das Schweizer Team auch darin stärken.»
Aufgabe zur Fluiddynamik «Droplet Explosion»
Im internationalen Turnier dürfen die Teams im Gegensatz zu den Vorrunden ihre Projekte selbst wählen. Das Schweizer Team präsentierte das Projekt «Droplet Explosion». Es handelt sich um ein Phänomen, bei dem ein Tropfen einer Wassermischung auf der Oberfläche einer öligen Flüssigkeit in kleinere Tröpfchen zerfällt. Das Schweizer Team ist auf die kritischen Fragen des gegnerischen Teams in einer angeregten Diskussion eingegangen. Und vor allem war es auch stark darin, die Projekte der gegnerischen Teams konstruktiv zu hinterfragen. Die strategischen Überlegungen der Teamleader stellten sich als richtig heraus und das lange Training zahlte sich aus. Nach einer spannenden Finalrunde und vielen emotionalen Hochs und Tiefs gewann das Schweizer Team – vor Singapur und Polen.
Ihr habt zusammen mit den Schüler:innen viel Freizeit für das Turnier eingesetzt. Was begeistert euch persönlich an der Physik am meisten?
Ophélie Rivière: «Mathematisch kann vieles hergeleitet werden – ich bin begeistert davon herauszufinden, ob und in welcher Form diese Erkenntnisse in der Welt dann auch wirklich existieren. Die Physik gibt mir das notwendige Werkzeug, damit ich dieser Neugierde nachgehen kann. Jakob Storp: «Mich fasziniert, wie man die komplexesten Phänomene und Fragestellungen auf universelle, manchmal sogar simple Grundprinzipien zurückführen und damit neu verstehen kann. Es ist befriedigend, komplexe Dinge selbst zu verstehen, und sie dann auch noch gut strukturiert und nachvollziehbar weitervermitteln zu können.»
Links
- externe Seite International Young Physicists’ Tournament (IYPT)
- externe Seite Swiss Young Physicists' Tournament (SYPT)
- externe Seite Der nächste Schweizer Wettbewerb SYPT findet im März 2023 statt – die Problemstellungen sind bereits online.
- externe Seite Am 26.07.2022 berichtet der BLICK über die Weltmeisterschaft
- Schulstufen in der Schweiz