Nacht der Physik 2022
Der Neugierde freien Lauf lassen, tausend Fragen stellen und Neues lernen. Am 17. Juni 2022 empfing das Departement Physik der ETH Zürich viele tausend Gäste zum sommerlichen Fest der Wissenschaft auf dem Campus Hönggerberg, der Nacht der Physik 2022.
Komplexe Forschung einfach erleben
Bei schönstem Hochsommerwetter draussen im Park, in kühlen Hörsälen und geheimnisvollen Forschungslabors haben die Gäste sich mit den Forschenden über zukünftige Riesenteleskope, Quantencomputer und Spitzenforschung der Physik in der ganzen Breite ausgetauscht.
Familien, Physikbegeisterte und Neugierige wollten vielleicht erst mal nur rasch vorbeischauen – doch wer einmal da war wurde von der Begeisterung der Professor*innen, Studierenden, Lernenden, Doktorand*innen und Forschenden angesteckt. Auch viele Gäste aus den nahen Quartieren haben die Gelegenheit wahrgenommen, an der Nacht der Physik 2022 den Campus neu kennenzulernen. Das Programm dieser Nacht war so dicht – alle konnten sich eine eigene Auswahl an Spannendem zusammenstellen. Das machte den Event auch so vielfältig.
Physik macht Spass!
Der wichtigste Schlüssel zum Spass ist die Begeisterung. Fern von Formeln war die Begeisterung an der Physik von den Forschenden bis zu den Lernenden rasch auf die Gäste übergesprungen. Bis spät in die Nacht bauten Kinder mit grosser Hingabe, betreut von den Lernenden, über 300 Wasserraketen und schickten sie dann über eine von der Universität Bern gebaute Rampe los. Sie erfuhren dabei spielerisch Neues über Schub, Aerodynamik und Flugbahn. Und auch über die Möglichkeit an der ETH Zürich eine Berufslehre machen zu können. «Wenn man schon an einer Hochschule eine Berufslehre macht, muss man dann trotzdem in die Berufsschule?» fragten Interessierte. Ja, die Lernenden am Departement Physik gehen genau wie alle anderen Lernenden in die Berufsschule.
Wissenschaft zum Anfassen
Auch an den vielen Ständen der Forschungsgruppen im Park wurde gestaunt, gespielt und experimentiert: Unter Anleitung konnten Laserstrahlen über einen echten Laboraufbau mittels Spiegel exakt umgelenkt und ausgerichtet werden – genau wie es die Forschenden in den Laboren der Quantenphysik tun. Kinder fanden auch rasch einen Einstieg über die von Lernenden gebaute supraleitende externe Seite Levitationsbahn über Polaroid-Experimente oder die Wärmebildkamera, die spielerisch zeigen, mit welchen Methoden Sterne oder Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems entdeckt werden können.
Spiele simulieren Laborerfahrung in der Photonik
Es gibt Spiele, die trotz ihrer Einfachheit näher am Laboralltag ist, als man glaubt, wie Experimentalphysikerin Professorin Daniela Rupp erklärt: «Da muss der Laserstrahl hin, du brauchst noch einen Strahlteiler und eine Apertur – eine Öffnung für den Laserstrahl. Immer ist zu wenig Platz. Der Strahl darf auch nicht ungeschützt vom Tisch entweichen, sonst sind die Augen in Gefahr...» Auch Erwachsene schätzten das Experimentieren und die Möglichkeit, erst mal anderen zuzuhören. Fragen ergaben sich mit der Zeit automatisch und schon war man im Gespräch über Themen, über die man sich vielleicht noch nie ausgetauscht hatte.
Ah, alltägliche Phänomene sind auch Physik?
Für die Allerkleinsten war das interaktive Wellen-Experiment noch ein wenig zu abstrakt, das durch Sebastian Huber, Professor der theoretischen Physik, erklärt wird. Doch bereits ab sechs Jahren vermittelt das Experiment fundamentales Wissen zur Wellenphysik und regt zur alltäglichen Beobachtung in der Natur an. So kommen Kinder direkt in Kontakt mit Vorbildern und begeistern sich für die Forschung ohne Wettbewerb und lange bevor sie in der Oberstufe mit Formeln konfrontiert werden. Und gleichzeitig erleben auch die Erwachsenen die Physik von einer neuen Seite. Auch dank der multikulturellen Forschungs-Community entwickelten sich die angeregten Gespräche in rund acht verschiedenen Sprachen.
Alzheimer-Früherkennung – Medizin an der Nacht der Physik 2022?
Die Vorträge wurden mit einer Ausnahme alle in Deutsch gehalten und können teilweise nachgehört werden – siehe unten. Wie können Physiker*innen etwas zu Alzheimer-Früherkennung beitragen? Der Rektor der ETH Zürich und Professor für Hochenergiephysik, Günther Dissertori spannte in seinem gut nachvollziehbaren Vortrag einen weiten Bogen von der Grundlagenforschung am CERN bis hin zu einer aus der ETH Zürich hervorgegangenen Firma, die zahlbare Geräte zur Alzheimer-Früherkennung für alle entwickelt hat. In diesem Vortrag entstehen Zusammenhänge, an die man vielleicht vorher nie gedacht hätte. «In einen Hörsaal der ETH sitzen und Vorträge hören, durch die ich viel Neues erfahren habe – wie cool ist das denn!» meint draussen ein Chauffeur, der das erste Mal im grossen Hörsaal war, da er normalerweise am Steuer seines Cars sitzt.
Schnell was essen und ab in den Untergrund!
So viel neues Erfahren gibt Hunger! Ausschliesslich vom feinen Schokoladeeis, dass die Forschenden aus dem Laboratorium für Festkörperphysik mit flüssigem Stickstoff – einem wichtigen Arbeitsmittel zum Kühlen von Proben, um Quantenzustände messbar zu machen – zur Freude vieler bei diesem heissen Wetter erstellt haben, kann man sich nicht ernähren. Doch wer fürs Essen keine Zeit verlieren wollte, um rasch an der nächsten Laborführung teilzunehmen, wurde mit geduldig stehenden Schlangen vor den leckeren Essensständen konfrontiert. Zum Glück ist das ständige Restaurant «food market» darauf spezialisiert täglich viele Studierende aufs Mal zu verköstigen. Da gabs zügig eine schmackhafte Portion Gnocchi und dazu einen lebhaften Austausch mit Gästen an einem der grossen Steintische im Park.
Im Untergrund: Spukhafte Fernwirkung im Quantenlabor
Rechtzeitig beim Treffpunkt für die Laborführungen angekommen, ging es ins von Umwelteinflüssen abgeschirmte Labor im Untergrund, wo rätselhafte Phänomene der Quantenphysik untersucht werden. Etwa können sich weit voneinander entfernte Teilchen ohne ersichtliche Verbindung beeinflussen. Albert Einstein glaubte nicht an solche «spukhaften Fernwirkungen». Doch das Experiment im Labor der Forschungsgruppe «Quantengeräte» von Professor Andreas Wallraff, widerlegt mit einer dreissig Meter langen Quantenverbindung Einsteins Meinung – in Anwesenheit aller Besuchenden. Hier geht es um die allerkleinsten Teilchen, während andere Gäste auf dem höchsten Gebäude des Campus mittels des Praktikums-Teleskops für Studierende in die unermessliche Weite des Universums schauen. Vom Kleinsten zum Grössten – alles Physik!
Entspannung trotz dicht bepacktem Programm
Draussen auf der grossen Wiese lud die Big Band der ETH Zürich nach all den vielen Eindrücken zum Entspannen ein. Ein kurzer Blick zur Getränkeausgabe und da die Schlange dort zu dieser Zeit doch ganz moderat schien, rundete ein kühles Getränk die Pause mit tollem Musikprogramm ab, das eine allgegenwärtige Festivalstimmung im Park kreierte. Ein kühler Abendwind, durchatmen, zurücklehnen und in den klaren Sternenhimmel hochschauen – bis es mit dem Vortrag des Nobelpreisträgers Didier Queloz weiterging; dort wo das blosse Auge schon lange nichts mehr sieht.
An der ETH Zürich einem Nobelpreisträger zuhören
«Is there anyone up there?» Fragte der Professor für Astrophysik und Nobelpreisträger Didier Queloz im grossen Vortragssaal. Einmal wie Studierende in die Klappbänke sitzen und das Neuste über die Forschung zu Planenten ausserhalb unseres Sonnensystems hören. Könnte es da Leben geben? In der breit angelegten Vortragsreihe berichtete auch Sascha Quanz, Professor für «Exoplanets and Habitability» das Neuste zu diesem Forschungsgebiet. Sein Vortrag ist – wie zum Beispiel der Vortrag von Andreas Vaterlaus, Prorektor Curriculumsentwicklung und Professor im Laboratorium für Festkörperphysik über das Studium an der ETH Zürich – hier nachzuhören.
Keine Zeit zum Ausklingenlassen
Ja, und die, die sich vor ein paar Stunden vorgestellt hatten, nach diesem Vortrag den Abend dann langsam ausklingen zu lassen, denen ging es wie den raketenbastelnden Kindern: Noch lockte zu viel, dass nur an diesem Abend besucht werden konnte. Die Gelegenheit, so viele Forschende zu allem fragen zu können, was man zur Physik wissen möchte, wollten viele nicht vorbeiziehen lassen. Noch um 23 Uhr waren der Austausch von den Ständen angeregt im Gang, währenddessen das erste Service-Team bereits da und dort die Stecker zogen und es richtig Nacht wurde auf dem Hönggerberg.
Wann kommt die nächste Nacht der Physik?
Das haben viele gefragt, nicht nur die Gäste, auch die Forschenden, die Lehrmeister, die Professorinnen, die den Kontakt zu den Gästen und deren Interesse geschätzt haben. «Denn es ist ein Privileg, wenn man jemandem erzählen kann, was man macht» sagt einer der Professoren. Neun Monate dauerte die Vorbereitung zur Nacht der Physik 2022, die letzte fand im Rahmen des grossen ETH-Jubiläums 2005 statt.
Der Anlass für die diesjährige Nach der Physik war das Ende des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Quantum Science and Technology». Insgesamt waren mehr als 400 Personen an der Ausführung der Nacht der Physik beteiligt: Mitarbeitende des Departments Physik unterstützt durch das Gebäudemanagement, den Sicherheitsdienst, das Eventmanagement, studentische Helfende der ETH Zürich sowie die «svgroup». Auf die Frage «wann?» gibt es noch keine Antwort. Vorerst freuen sich alle Beteiligten über so schöne Zuschriften wie zum Beispiel die eines Dozenten für Mathematik und Physik aus Buchs, St. Gallen: «Herzlichen Dank für diese wunderbare Nacht der Physik. Meiner Tochter und mir hat es sehr gefallen. Die Stimmung war supergut, die Motivation aller Beteiligten sehr hoch. Die Sachverhalte wurden einfach, sympathisch und gut erklärt. Wir sind begeistert.»