Talente gewinnen und fördern
- Institute for Theoretical Physics (ITP)
- Master-Studierende
- D-PHYS
- Physik MSc
Die ETH Zürich ist ein Magnet für talentierte Menschen aus der ganzen Welt. Auch für das Master-Studium will sie die grössten Talente gewinnen. Fünf ausgezeichnete Studierende starteten im September 2021 ihren Master in Physik mit einem Exzellenz-Stipendium. Dieses ermöglicht ihnen, sich vollständig auf das Studium zu konzentrieren oder überhaupt an der ETH Zürich zu studieren.
Das vollständig durch Donatorinnen und Donatoren unterstützte externe Seite Exzellenz-Stipendienprogramm stellt Masterstudierenden eine Mentorin oder einen Mentor zur Seite, deckt ihre Studien- und Lebenshaltungskosten und bietet die Möglichkeit ein Peer-Netzwerk sowie Kontakte zur Industrie zu knüpfen. Das Programm gibt es seit 2007. Die Stipendiatin und Stipendiaten des Exzellenzstipendiums am Departement Physik kommen aus Mexiko, Italien, China, Österreich und Deutschland und wissen, wofür sie ihre Energie einsetzen wollen. Sie erzählen, wie sie sich vorbereitet haben und welche Erfahrungen sie zu Beginn ihres Masterstudiums gemacht haben.
Daniel Augusto Ortuño González – Mexiko, Monterrey
«An der Universität in Monterrey, wo ich meinen Bachelor gemacht habe, ist das Bachelor-Studium länger als in der Schweiz. Neben den Hauptfächern werden auch Kultur und Betriebswirtschaft unterrichtet», erklärt Daniel Augusto Ortuño González. «Obwohl es in Mexiko viele intelligente junge Menschen gibt, können nur etwa 15 Prozent von ihnen studieren und von diesen machen nur etwa acht Prozent einen Master oder ein Doktorat», meint Ortuño González. Um sein Bachelor-Studium zu finanzieren, arbeitete er zeitweise Vollzeit in der angewandten Forschung als Statistiker für ein Energieberatungsunternehmen. Als Bachelor-Austauschstudent an der EPFL, der ETH in Lausanne, stellte Ortuño González fest, dass sich die Menschen in Europa manchmal zu wenig bewusst sind, welch grosse Chancen sie haben.
Selbststrukturiertes Studium
An der EPFL und als Austauschstudent in den USA wuchs Ortuño González' Wunsch, einen Master in Theoretischer Physik an der ETH Zürich zu machen. Ihm gefällt das stark fokussierte Lernen an der ETH Zürich ebenso wie das didaktische Konzept, das den Studierenden ein selbstbestimmtes, durch Neugier getriebenes Lernen ermöglicht. Im Gegensatz dazu, so stellt er fest, müssen in Mexiko die Aufgaben innerhalb kurzer Fristen abgegeben werden. «Die offene Haltung der Schweiz gegenüber der Grundlagenforschung begeistert mich», sagt er, «denn in den USA hatte ich manchmal das Gefühl, die Forschung richte sich spezifischer an Trends und gut zu veröffentlichen Themen aus und berücksichtige finanzielle Motive stärker.»
Traum ging in Erfüllung
Doch Ortuño González' Traum wäre ohne ein Exzellenz-Stipendium unbezahlbar gewesen. Umso grösser war die Freude nach der Aufnahme in das Programm, denn er ist der erste Stipendiat aus Mexiko, der mit diesem Stipendium Physik studiert. Nach seinem Master-Abschluss sieht Ortuño González seine Zukunft in der Forschung und der Lehre. Es macht ihm nicht nur Spass, sich selbst etwas beizubringen, sondern auch anderen.
Carla Anais Ferradini – Italien, Rom
Carla Anais Ferradini sieht keinen grossen Unterschied zwischen der Universität Rom, an der sie ihren Bachelor gemacht hat, und der ETH Zürich, was das System betrifft, aber sie findet das Umfeld an der ETH Zürich definitiv anspruchsvoller «Schon zu Beginn meines Bachelorstudiums wusste ich, dass ich für meinen Master im Ausland wollte, und die ETH Zürich war eine sehr gute Option dafür», sagt Ferradini. Auch deshalb bewarb sie sich für das Exzellenz-Stipendienprogramm.
Ins Gespräch kommen
«In meiner ersten Woche an der ETH Zürich besuchte ich das Flagship Forum des Quantenzentrums. Dort habe ich mit Mitgliedern der Gruppe Quanteninformationstheorie gesprochen, und sie boten mir in «Quantum Foundations and Causality» ein Semesterprojekt an», erzählt sie über ihren Start. «Ich hatte Glück, denn es ist nicht so einfach, ein passendes Projekt für eine Semesterarbeit zu finden. Immer mehr Studierende der ETH Zürich interessieren sich für die Forschung in der Quantenphysik, und so ist die Konkurrenz um die wenigen verfügbaren Plätze gross.
Fachbereich Theoretische Physik
Nun freut sie sich besonders auf die Arbeit in der Forschungsgruppe von ETH-Professor Renato Renner, der sich bereit erklärt hat, sie im Rahmen des Programms zu betreuen. «Ich finde die Quanteninformationstheorie spannend, weil man durch das Hinterfragen und Untersuchen der theoretischen Grundlagen unerwartete Erkenntnisse gewinnen kann. Und zwar allein mit unseren Gedanken und im Austausch mit anderen Menschen. Für mich bilden die theoretische und die experimentelle Physik ein grösseres Ganzes, weil sie sich gegenseitig ergänzen.»
Man findet rasch Freunde
An Zürich gefallen Ferradini besonders die kurzen Fahrzeiten. «Im Gegensatz zu Rom ist man in Zürich rasch überall. So habe ich mehr Zeit fürs Studium und natürlich auch für die Freizeit», meint sie. Sie plant, das Doktorat in Zürich zu machen und an der Hochschule weiterzuforschen. Physikprofessorin zu werden, ist ein Fernziel, das sie sich gut vorstellen kann. Vom Angebot des Exzellenz-Stipendienprogramms ist Ferradini begeistert. «Erst vor kurzem machten wir einen Ausflug zum ETH-Spin-Off «Planted», wo wir nicht nur sahen, wie eine Idee Marktreife erlangt, sondern auch mit anderen Jahrgängen in Kontakt kamen. Dieser Austausch ist wertvoll, auch findet man so rasch Freunde.»
Zhuotao Jin – China, Hefei
«Meine Semesterarbeit ist gerade so spannend, ich konnte nicht am Ausflug des Programms teilnehmen», erzählt Zhuotao Jin. Er begann mit seinem Bachelor in Hefei zwei Jahre früher als üblich. Für die University of Science and Technology of China USTC entschied er sich wegen ihrer Stärke in Physik. «Die meisten meiner Mitstudierenden gehen danach in die USA – auch wegen des dortigen System Master und Doktorat als Einheit anzubieten. Das macht die Karriereplanung sicherer, denn sich erst mal nur für ein Masterststipendium zu bewerben kann ein Karriererisiko sein», überlegt Jin. «Ich habe mich dennoch für die ETH Zürich entschieden, nachdem ich Online-Vorlesungen an verschiedenen Hochschulen verglichen hatte. Die Vorlesungen und das grosse Angebot haben mich überzeugt, ausserdem haben mir chinesische ETH-Studierende ein Studium hier empfohlen.»
Empfehlungen sind wichtig
Auch Jins Studienberater und Dozenten empfahlen die ETH Zürich. ETH-Professor Manfred Sigrist wurde ihm sogar spezifisch empfohlen. Wie kam das? «Fortgeschrittene Probleme gehe ich gerne im direkten Austausch an», erzählt Jin. «Ich las ein spannendes Buch von Tai-Kai Ng, Physikprofessor an der Hong Kong University of Science and Technology, und habe danach mit ihm über sein Buch und meine Pläne gesprochen. Da Manfred Sigrist auch in Hong Kong bekannt ist, empfahl mir Ng mit ihm Kontakt aufzunehmen, denn Sigrists Fachbereich «Supraleitung und Physik der kondensierten Materie» ist das, was mich am meisten interessiert. Professor Sigrist hat dann für das Mentorat zugesagt», freut sich Jin. «Das ist nur eines von vielen Beispielen; ich möchte gerne alle Personen, die mich unterstützt haben, hier namentlich erwähnen.»
Ausserhalb Europas sind Aufgaben für Studierende oft anders
Dank des Stipendiums kann sich Jin ganz seinem Studium widmen. Er sei der erste Exzellenz-Stipendiat aus China, der Physik studiert, bemerkt er. «Das macht mich stolz», sagt er, «denn in unserem Land wird kaum jemand für dieses Stipendienprogramm angenommen, wahrscheinlich weil die Form der Bewerbung für viele aussereuropäische Studierende ungewohnt ist: Sie verlangt von den Bewerber:innen selbständiges Verfassen des Antrags und eine gängige wissenschaftliche Zitierweise. In China sind sich Studierende hingegen gewohnt, ausschliesslich mit vorgegebener Problemstellung zu arbeiten.»
In der Schweiz ankommen
In seiner Freizeit spielt Jin Tischtennis und Tennis, liebt Langstreckenläufe und lernt die Schweiz beim Wandern kennen. Er sagt, darauf hätte er sich gefreut und er habe auch sonst alles, was er in der Schweiz brauche. Aber manchmal sehnt er sich nach richtig gutem chinesischem Essen. «Das ist in Zürich schwer zu finden – vor allem auf dem ETH-Campus Hönggerberg, wo nach Feierabend alles geschlossen ist. Dann denke ich manchmal an meinen Studienfreund aus Hefei, der jetzt am Max-Planck-Institut in München studiert und mich an der ETH Zürich besuchen will», bemerkt er voller Vorfreude.
Maximilian Hofer – Österreich, Feldkirch
Wie Jin wusste auch Maximilian Hofer schon früh wo seine Stärke liegt: Schon im Gymnasium in Feldkirch gewann er die österreichische Mathematik-Olympiade und hat sich damit für Internationale Mathematik-Olympiade in Rio de Janeiro qualifiziert. Zwei Jahre bevor er den Bachelor an die ETH Zürich begann, meldete er sich bereits im Studentenwohnheim in Zürich an – bloss drei Wochen vor Semesterstart bekam er zum Glück die Zusage. «Im Physikstudium an der ETH lernt man nicht bloss Mathematik für Physiker, sondern für Mathematiker; so hatte ich für die Entscheidung, welchen Bachelor ich wählen sollte, noch ein Jahr Zeit», erinnert sich Hofer.
Master in Hochenergiephysik
Nach dem Bachelor in Physik wählte er nun den Master in Hochenergiephysik, der halbzeitig in Zürich, halbzeitig in Paris durchgeführt wird. «Das garantiert auch in Zeiten von Corona einen Perspektivenwechsel im Ausland und wird gleichzeitig meinen hohen Ansprüchen ans Studium gerecht», überlegte sich Hofer. «Durch das zusätzliche Semester dieses Masters erhoffe ich mir einen breiteren Blick.» Durch die Wahl dieses Masters hat Hofer nun zwei ETH-Professoren als Mentoren: Charalampos Anastasiou und Matthias Gaberdiel, deren Vorlesungen in allgemeiner Relativitätstheorie und klassischer Mechanik ihn begeistert haben.
Der Antrag für das Stipendium hilft weiter
Hofer fand das Thema für den verlangten Projektvorschlag beim Antrag zum Exzellenz-Stipendium, indem er das Internet nach Publikationen durchsuchte. Daraufhin kontaktierte er die Autoren von Publikationen, die ihm entsprachen und erstellte dann den Projektvorschlag. Die Autoren boten ihm anschliessend in ihrer Forschungsgruppe ein Semesterprojekt in seinem Wunschgebiet an. «Der Antrag für das Exzellenz-Stipendium unterstützt also den ganzen Prozess, auch unabhängig von der Zusage für das Stipendium», reflektiert Hofer. Nach dem Master möchte Hofer promovieren und anschliessend eine akademische Laufbahn einschlagen.
Max Schäfer – Deutschland, Freiberg am Neckar
«Sogar Kolleg:innen, die nicht angenommen wurden, finden den Projektvorschlag, der für die Bewerbung zum Exzellenz-Stipendium gefordert ist, hilfreich um ihre Interessen klarer zu definieren», hat Max Schäfer beobachtet. Der Bewerbungsprozess für das Exzellenz-Stipendium half auch Schäfer, die passende Semesterarbeit zu finden: Er besuchte Websites der Forschungsgruppen, legte eine grobe Richtung feste, schaute sich aktuelle Projekte an und machte sich Gedanken zum Zeitmanagement und Laborressourcen. Er ist überzeugt: «Es macht Sinn, zu planen und sich frühzeitig damit zu beschäftigen.»
Allgemeiner Master in Physik plus Mentorat
«Das Mentoring ist besonders wertvoll», findet auch Schäfer, der wie Hofer seinen Bachelor in Physik bereits an der ETH Zürich machte und sich bei der Semesterarbeit in der Gruppe von ETH-Professor Atac Imamoglu gut unterstützt und eingebunden fühlte. Darauf entschied er sich für den allgemeinen Master in Physik, der jedoch ohne Mentoring angeboten wird. In der Hoffnung, während des Masters trotzdem einen Mentor oder eine Mentorin zu bekommen, hat er sich für ein Exzellenz-Stipendium beworben und eine Zusage erhalten.
Semesterarbeit im Bereich Quantencomputer
Auch deswegen nahm ihn im Fachbereich Quantenphysik trotz grossem Andrang rasch eine geeignete Forschungsgruppe auf. «Semesterarbeiten zu betreuen ist ein zusätzlicher Aufwand für Forschungsgruppen», sagt Schäfer. «Dennoch ermöglicht Professor Ensslin sehr vielen Studierenden wertvolle Einblicke in die Forschung; ich lernte viel. Von meinem aktuellen Mentor, Professor Wallraff, erfahre ich auch viel Unterstützung.» Schäfer findet: «Es ist schon wichtig, wie man sich in einer Gruppe fühlt, denn wenn man ein Doktorat machen möchte, verpflichtet man sich für einige Zeit. Seine Zukunft könnte er sich in der Grundlagenforschung vorstellen, vielleicht beim PSI, der IBM oder an der ETH Zürich.
Weltweite Netzwerke knüpfen
Weltweite Netzwerke sind für alle ETH-Absolventen und Absolventinnen wertvoll. Nach ihrem Master- oder Doktorat werden sie ihre Ideen und ihr Know-how nicht nur in anderen Forschungszentren einsetzen, sondern auch in der Industrie, in der Beratung und im Management, bei Versicherungen oder Banken, in Forschung und Lehre, als Sekundarschullehrerinnen und -lehrer – oder ihren eigenen Spin-offs. Sie werden in der Schweiz oder anderswo in ihrem weltweiten Netzwerk arbeiten – und vielleicht werden sie eines Tages selbst von einem Professor in Hongkong an Studenten empfohlen. Das Departement wünscht ihnen allen viel Erfolg und Freude bei ihrem Studium.
Am Departement Physik der ETH Zürich arbeiten derzeit rund 500 Personen in Forschung und Betreuung. 40 Forschungsgruppen forschen und lehren am Departement. Rund 50 Lernende absolvieren ihre Berufsausbildung, 1500 Personen studieren an der ETH Zürich Physik, davon über 400 in den verschiedenen Masterstudiengängen – fast doppelt so viele wie noch vor 10 Jahren.
Zahlen und Fakten ETH Zürich