Helium, ein Elixier der Forschung
In vielen Laboren auf der ganzen Welt kann ohne Helium nicht geforscht werden. Auch die ETH und die Universität Zürich sind auf eine regelmässige und zuverlässige Belieferung von Helium angewiesen. Damit möglichst wenig des wertvollen Gases verloren geht, wird es mit verschiedenen Prozessen nach der Verwendung im Labor zurückgewonnen und wieder eingesetzt. Nun ist an der ETH Zürich am Hönggerberg eine neue und effizientere Anlage zur Heliumverflüssigung in Betrieb gegangen.
Weshalb brauchen Forschende Helium?
Helium ist bei vielen technischen Anwendungen zentral. Magnetresonanztomografen (MRT) lassen sich zum Beispiel nicht ohne Helium betreiben. Diese Geräte arbeiten mit starken Magnetfeldern, die mithilfe von supraleitenden Spulen erzeugt werden. Diese funktionieren nur bei extrem tiefen Temperaturen, die mittels flüssigen Heliums erzeugt werden, das eine Temperatur von minus 269 Grad Celsius hat. Es ist die einzige Substanz, die selbst am absoluten Nullpunkt (0 K bzw. −273,15 °C) unter Normaldruck nicht fest wird. Auch die Grundlagenforschung der Physik, Materialwissenschaften, Biologie und Chemie benötigen so tiefe Temperaturen für ihre zum Teil auf Monate angelegten Experimente.
Was passiert bei einem Lieferengpass?
Nur Experimente, die ununterbrochen rund um die Uhr auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt gehalten werden, erzeugen für die Forschung brauchbare Resultate. Ohne diese sind Erfolge in zentralen Forschungsfeldern wie zum Beispiel in der Quantenforschung nicht möglich. Deshalb setzen die Technischen Betriebe des Departements Physik der ETH — die die ganze ETH und Universität Zürich mit flüssigem Helium beliefern — alles daran, dass nie ein Lieferengpass eintritt. Dies bedingt neben erfahrenen Fachleuten stabil laufende Anlagen, einwandfreie Logistik und Weitsicht.
Wie wird Helium flüssig?
Wir kennen gasförmiges Helium seit wir Kinder sind von Jahrmärkten. Der Prozess zur Verflüssigung des Gases ist aber alles andere als ein Kinderspiel. Das aus Erdgas gewonnene Helium wird von extern bezogen und dann möglichst verlustfrei in einem Kreislauf immer wieder eingesetzt. Ein hoch technisiertes Labyrinth von Rohren im Untergrund des Campus gewährleistet eine möglichst verlustfreie Rückgewinnung des nach der Verwendung gasförmig gewordenen Heliums. So kann man sich die Gasverflüssigungsanlage wie ein Herz vorstellen, das an einen grossen Kreislauf angeschlossen ist und alle angegliederten Forschungszentren und Labore laufend mit neu aufbereitetem flüssigem Helium versorgt. In der Gasverflüssigungsanlage wird das Gas so lange mit hohem Druck, der durch einen Kompressor erzeugt wird, durch Wärmetauscher gepumpt und über Turbinen expandiert, bis es kalt genug ist und flüssig wird. Eine Vorkühlung des gasförmigen Heliums mit Stickstoff erhöht den Output des Flüssiggases zusätzlich.
Die neue Gasverflüssigungsanlage
Für 2.2 Mio. Schweizerfranken wurde nun während eines Jahres die eine, 20-jährige Verflüssigungsanlage durch eine neue ersetzt, die mit 100 l/Std. mehr als die dreifache Kapazität hat. Die andere wurde vorgängig gewartet und mit neuen Steuerventilen, neuer Steuerung und neuem Gasmanagement ausgerüstet. Damit wurde die permanente Versorgung der Labore während der Bauphase garantiert. Die Coldbox der neuen Anlage ist mit effizienteren Turbinen und grösseren Wärmetauschern ausgerüstet und benötigt wesentlich weniger Energie als die alte. Leise ist auch die neuste dieser grossen Maschinen allerdings nicht. Vermutlich braucht es noch einen Moment, bis die Techniker die zum Teil hoch pfeifenden Betriebstöne reduzieren können, was relevant ist, da die Fachkräfte dauernd in unmittelbarer Nähe der Maschinen arbeiten.
Ebenfalls erneuert wurden deshalb auch hauptsächlich sicherheitsrelevante Gebäudeelemente der Liegenschaft HEZ am Hönggerberg, in der die Anlage steht. Das Arbeiten mit Gasen in Räumen kann gefährlich sein, weshalb vor allem auf die Luftzufuhr grossen Wert gelegt wurde.
Notfallmanagement und Remote Control
Da die Anlagen auch nachts auf Hochtouren produzieren, werden sie laufend überwacht. Bis das ganze System gut eingespielt ist, wird wohl hie und da ein Fehlalarm die Verantwortlichen im Team "Gasverflüssigung" um den Schlaf bringen. In Zukunft werden beide Anlagen über ein Remote Monitoring and Control System (RMCS) auch von zuhause aus zu steuern sein. Das macht in gewissen Fällen eine Fahrt auf den Hönggerberg mitten in der Nacht unnötig. Aber so richtig schlafen kann man nach einem Notfalleinsatz trotzdem wohl nicht mehr.
Ein lang bewährtes Team
René Keller, Beat Helbling und Richard Lauener, die den Umbau begleitet haben und die neue Anlage nun betreiben, sind seit 10 Jahren ein gut eingespieltes Team. René Keller arbeitet seit 27 Jahren für die Gasverflüssigung am Hönggerberg und hört an jedem Zwischenton dieses grossen Systems, wie gut es gerade läuft. Er leitet die Gruppe und ist auch für die Managementaufgaben verantwortlich. Bis die Rückgewinnung des gasförmigen Heliums, die Aufbereitung des Heliums für die Lagerung in Flaschen, das Gasmanagement und der ganze Verflüssigungsprozess mittels Expansionsturbinen reibungslos klappt, braucht es viel Erfahrung. Nur so ist die zuverlässige Auslieferung des flüssigen Heliums in die Labors gewährleistet. Ausgeliefert wird mittels sogenannten «Dewar», das sind mittelgrosse Isolations-Tanks auf Rollen, in die das flüssige Helium aus den Verflüssigungsanlagen abgefüllt wird. (Für Details, siehe Download diese Zusammenstellung (PDF, 537 KB))
Elementare Dienstleistung für die Forschung
Dank der neuen Anlage und der erhöhten Gebäudesicherheit kann das Departement Physik seine Dienstleistung für die ganze ETH und Universität Zürich auch bei erhöhtem Bedarf unterbruchsfrei und in höchster Qualität gewährleisten. Dass das so bleibt, dafür sind auch die Forschenden selbst verantwortlich, denn nur bei sparsamem Umgang mit dem Helium kann genügend rückgewonnen werden. Die Preise für das nicht erneuerbare Gas sind auf dem Weltmarkt erst von 8 auf 20 Euro per Kubikmeter gestiegen und der asiatische Markt liefert die bestellten Mengen nur unzuverlässig. Betreten Besuchende den Campus ETH Hönggerberg, merkt man von all dem nichts. Das technische Herz, dass für viele Forschungsbereiche zentral ist, pumpt im Verborgenen so selbstverständlich, dass man es fast vergisst.