Astronomie: Gravitationslinseneffekt bei sehr hohen Energien beobachtet
Eine Kollaboration mit Beteiligung von ETH-Physikern am Atomospheric Gamma-ray Imaging Cherenkov (MAGIC) Observatorium berichtet die Entdeckung der am weitesten entfernten Gammastrahlenquelle, die jemals bei sehr hohen Energien beobachtet wurde. Diese Beobachtung wurde dank einer "Wiederholung" einer enormen Erruption durch eine galaktische Gravitationslinse ermöglicht — wie es die Einstein'sche Allgemeine Relativitätstheorie vorsieht.
MAGIC ist ein Gammastrahleninstrument auf der kanarischen Insel von La Palma in Spanien. Es ist konzipiert, Gammastrahlen zu detektieren, deren Energien Dutzende von Milliarden bis zu Dutzenden von Billionen mal höher sind als die von sichtbarem Licht. MAGIC wurde in einer Zusammenarbeit von weitgehend europäischen Partnern aufgebaut, die rund 160 Forscher aus Deutschland, Spanien, Italien, der Schweiz, Polen, Finnland, Bulgarien, Kroatien, Indien und Japan umfasst. Aktiv an der jetzt in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlichten Studie war die ETH-Gruppe von Adrian Biland am Institut für Teilchenphysik (IPP) beteiligt.
Licht auf einer krummen Bahn
Gemäss Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie wird Licht abgelenkt, wenn es eine grossen Masse passiert. Für einen entfernten Beobachter fokussiert die Masse Licht wie eine riesige Linse. Das Ergebnis ist ein viel helleres, wenn auch verzerrtes Bild der Quelle, und eine Möglichkeit, entfernte Objekte zu sehen, die sonst viel zu schwach leuchten, um erkennbar zu sein. Und genau wie bei einer gewöhnlichen Linse kann Licht auch bei einer Gravitationslinse Wege mit leicht unterschiedlichen Längen nehmen. Auf kosmischen Skalen bedeutet dies, dass Photonen — Lichtpakete — die sich entlang verschiedener Pfaden bewegen, zu etwas unterschiedlichen Zeiten beim Beobachter ankommen. Wenn zusätzlich die Leuchtstärke der Quelle fluktuiert, dann werden diese Fluktuationen auf das Licht mit einer zeitlichen Verzögerung gegenüber einer festen ersten Ankunft "eingeprägt". Und dies sollte, gemäss der Theorie, nicht von der Energie der Photonen abhängig sein. Diese Vorhersagen in Beobachtungen zu verifizieren ist besonders wichtig.
Verpasste Gelegenheit ...
QSO B0218 + 357 beherbergt ein supermassives Schwarzes Loch in einer Galaxie, die sich auf halbem Weg von der Erde zum Ende des beobachtbaren Universums befindet. Vor über 7 Milliarden Jahren kam es zu einer gewaltigen Explosion in diesem Objekt, was zur Ausstrahlung eines intensiven Gammastrahlblitzes führte. Solche Blitze sind die energiereichste Form von Photonen. Auf ihrer langen Reise Richtung Erde passierten diese Photonen mehr als eine Milliarde Jahre später die näherliegende — aber immer noch weit entfernte — Galaxie B0218 + 357G. Sie wurden dadurch abgelenkt und erreichten am 14. Juli 2014 die Erde, wo sie vom Large Area Telescope an Bord des Fermi-Satelliten detektiert wurden. Der Satellit tastet auf seiner Bahn um die Erde alle drei Stunden den gesamten Himmel ab. Der Nachweis dieses Gammastrahlblitzes brachte die astronomische Gemeinschaft in Alarmbereitschaft; weltweit wurden zahlreiche Teleskope Richtung QSO B0218 + 357 ausgerichtet, um mehr über diese fernen kosmischen Explosionen zu lernen. Die Forscher am MAGIC-Teleskop waren begeistert, möglicherweise dieses Objekt im Band der sehr hochenergetischen Gammastrahlen beobachten zu können und damit eine extreme Perspektive auf diese Explosion bieten zu können. Aber leider herrschte zu dieser Zeit in La Palma Vollmond, welcher den Betrieb der MAGIC-Teleskope verhinderte.
... und eine zweite Chance
Aus früheren Messungen dieses Objekts im Jahr 2012 durch den Fermi-Satelliten und Radioteleskope wussten die MAGIC Wissenschaftler jedoch, dass Photonen, die entlang des zweiten, längeren Weges ankommen, etwa 11 Tage später eintreffen sollten. "Mit anderen Worten: Die Natur belohnte uns mit einer Wiederholung, einer zweiten Chance, das gleiche Phänomen zu betrachten", sagt Julian Sitarek (Universität Łódz, Polen), der diese Studie für die MAGIC-Kollaboration leitete. "Als die Zeit kam, wurden die MAGIC-Teleskope auf QSO B0218 + 357 gerichtet, und ein Blitz sehr hochenergetischer Gammastrahlen wurde beobachtet, wie vorhergesagt; QSO B0218 + 357 wurde damit das am weitesten entfernte Objekt, von dem hochenergetische Gammastrahlen detektiert wurden". Mit dieser Beobachtung hat MAGIC das bisher bekannte Sichtfeld des Universums im Fenster sehr hochenergetischer Gammastrahlen verdoppelt. Die Beobachtung des verzögerten Signals von QSO B0218 + 357 durch MAGIC zeigte zudem erstmals, dass diese sehr energiereichen Photonen auch in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Relativitätstheorie abgelenkt werden, was sowohl bemerkenswert als auch potentiell fundmental bedeutend ist: das Signal, das zur vorhergesagten Zeit ankam, könnte einige Theorien zur Struktur des Vakuums ausschliessen, aber dafür sind noch weitere Analysen notwendig. Für den Augenblick zeigt diese Beobachtung die neue Fähigkeiten von Observatorien für sehr hochenergetische Gammastrahlen und hebt hervor, was von der nächsten Generation dieser Teleskope erwartet werden kann.
(Text übernommen und angepasst von der externe Seite MAGIC-Pressemitteilung)