Eine Woche unter Nobelpreisträgern

Die Lindauer Nobelpreisträgertreffen für Physik sind eine bereichernde Erfahrung für etablierte Wissenschaftler:innen und Nachwuchswissenschaftler:innen gleichermassen.

Senica, Hänsch und andere sitzen zum Essen an einem Tisch
Der Autor (zweiter von rechts) bei einem Mittagessen mit Theodor W. Hänsch (zweiter von links). (Bild: Urban Senica)

Als Teilnehmer des 73. Lindauer Nobelpreisträgertreffens für Physik, das vom 30. Juni bis 5. Juli 2024 stattfand, hat mich das Motto «Educate - Inspire - Connect» (Bilden - Inspirieren - Verbinden) während einer ganzen Woche mit faszinierenden Präsentationen und inspirierendem Austausch zwischen rund 35 Nobelpreisträger:innen und 650 jungen Wissenschaftler:innen aus 90 Ländern tief beeindruckt.

Die seit 1951 jährlich auf der wunderschönen Insel Lindau stattfindende Veranstaltung, beabsichtigt, Nobelpreisträger:innen mit der nächsten Generation von Wissenschaftler:innen zusammenzubringen, um so Inspiration in beide Richtungen fliessen zu lassen. Die diesjährige Tagung konzentrierte sich auf drei Kernthemen: Lösungen für die Zukunft der Energieversorgung, das Potenzial und Auswirkungen der künstlichen Intelligenz und eine breitere Diskussion über die Grundlagen- und angewandte Forschung in der Quantenphysik.

Das Programm war vom frühen Morgen bis zum späten Abend dicht gedrängt mit unterschiedlichen Aktivitäten. Die Nobelpreisträger:innen hielten Vorträge über ihre Forschung und nahmen an verschiedenen Veranstaltungen mit jungen Wissenschaftler:innen teil. Ein einzigartiges Format war der offene Austausch, eine Art ‹Frag mich alles›-Sitzung, bei der die Preisträger:innen offen über ihre beruflichen Herausforderungen und Karrieretipps sprachen. Besonders inspirierten die Geschichten aus ihrer Zeit als junge Forschende, wobei einige deutlich machten, wie wichtig es sei, trotz Schwierigkeiten weiterzumachen. So wechselte beispielsweise Professor Konstantin Novoselov das Promotionsthema und den Betreuer; Professor Brian Schmidt hatte Schwierigkeiten eine Stelle zu finden und hätte beinahe, wenige Tage vor der Bestätigung seiner mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Entdeckung, seine astronomische Forschung aufgegeben. Auch ist es den Veranstaltern gelungen einige Nachwuchswissenschaftler:innen ins Rampenlicht zu rücken, die in mehreren thematischen Sitzungen ihre Forschung vorstellten.

Einer meiner persönlichen Höhepunkte war ein Mittagessen mit Professor Theodor W. Hänsch, der zusammen mit Dr. John L. Hall den Physik-Nobelpreis 2005 für seine Forschungen auf dem Gebiet der laserbasierten Präzisionsspektroskopie, einschliesslich der optischen Frequenzkammtechnik, erhalten hat. Dieser Bereich ist eng mit meiner Forschung an der ETH Zürich verbunden, und Hänsch ist eines meiner wissenschaftlichen Vorbilder. Seine Ratschläge waren für uns sehr wertvoll; so betonte er, dass wir unseren Leidenschaften und Interessen nachgehen sollten, anstatt ‹heissen› Themen hinterherzujagen und riet uns, nebenbei sichere Projekte zu haben, um nicht von einem einzigen risikoreichen Experiment abhängig zu sein.

Ein weiteres besonderes Ereignis war ein Abendessen mit Professor Anton Zeilinger, der zusammen mit Professor Alain Aspect und Dr. John Clauser den Physik-Nobelpreis 2022 für bahnbrechende Experimente in der Quanteninformationswissenschaft erhielt. Es war mir ein Vergnügen, mit Zeilinger über meine Forschungs- und Karrierepläne zu sprechen und seinen Anekdoten aus seiner Zeit als junger Forscher zu lauschen, der versuchte, in der Welt der Wissenschaft Fuss zu fassen.

Mehrere Nobelpreisträger, die mit der ETH Zürich verbunden sind, nahmen an der diesjährigen Tagung teil: Professor Didier Queloz (Physik 2019), Prof. Kurt Wüthrich (Chemie 2002), und Dr. J. Georg Bednorz (Physik 1987). Ich war einer der Young Scientists, die die ETH Zürich vertraten. Ein wichtiger Aspekt dieser Veranstaltung ist die Möglichkeit, Nachwuchswissenschaftler:innen aus der ganzen Welt zu treffen, die an einer Vielzahl von Themen arbeiten und dabei Verbindungen und Freundschaften zu knüpfen, die ein Leben lang halten können.

Am letzten Tag des Treffens wurden wir Zeugen eines historischen Ereignisses, als 30 Nobelpreisträger:innen die Mainau-Deklaration 2024 gegen den Einsatz von Atomwaffen unterzeichneten und zum Handeln aufriefen, um katastrophale nukleare Ereignisse zu verhindern. Für mich war dies ein wichtiger Moment. Ich bin davon überzeugt, dass Wissenschaftler:innen über die grossen Probleme der Menschheit nachdenken sollten, um der Gesellschaft als Ganzes zu dienen.

Nobelpreisträger:innen, die gemeinsam auf der Bühne einer Zeremonie stehen
Am 5. Juli unterzeichneten 30 Nobelpreisträger:innen die Mainau-Deklaration 2024 zu Atomwaffen. (Bild: Urban Senica)

Über den Autor

Urban Senica ist Postdoktorand im Quantum Optoelectronics Group am Institut für Quantenelektronik, wo er an Quantenkaskadenlasern, Frequenzkämmen und breitbandiger integrierter Terahertz-Photonik forscht. Er beschäftigt sich auch mit Wissenschaftskommunikation.

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