Wo sich Physik und Mathematik treffen

Ein Gespräch mit Per Moosavi, Postdoktorand am Institut für Theoretische Physik an der ETH Zürich, über erfolgreiche wissenschaftliche Workshops und wie man Forscher unterschiedlicher Disziplinen zusammenzubringt.

Les Diablerets, VD
Die SwissMAP Research Station befindet sich in Les Diablerets im Kanton Waadt. (Foto: SwissMAP)
Dr. Per Moosavi
Der theoretische Physiker Per Moosavi untersucht niedrigdimensionale Quanten-Vielteilchensysteme ausserhalb des Gleichgewichts. (Foto: Per Moosavi)

Als Per Moosavi der Gruppe von Professor Gian Michele Graf an der ETH Zürich beitrat, wurde er auch Teil der nationale Forschungsschwerpunkt externe Seite «SwissMAP – Die Mathematik der Physik». SwissMAP ist ein vom Schweizerischen Nationalfonds finanziertes interdisziplinäres Forschungsnetzwerk, welches den Austausch von Ideen und Methoden zwischen der theoretischen Physik und der Mathematik fördern soll.

Diese Zielsetzung passt ausgezeichnet zu Moosavis Forschungsschwerpunkt der niedrigdimensionalen Quanten-Vielteilchensysteme innerhalb der mathematischen Physik.

Zu Beginn dieses Jahres besuchte Moosavi die externe Seite SwissMAP Research Station (SRS), ein Konferenzzentrum in den Waadtländer Alpen, das internationale Konferenzen und Workshops an der Schnittstelle zwischen Mathematik und theoretischer Physik veranstaltet. Wir sprachen mit Per Moosavi über die SRS, seine persönlichen Forschungspläne und die Möglichkeiten, Brücken zwischen verschiedenen Forschungsbereichen zu schlagen.

Wie empfanden Sie die SRS als Rahmen für den Austausch über Ihre Forschung?

Die SRS war mir bereits seit längerem bekannt und ich wäre sie gerne bereits früher besuchen gegangen. Doch dann kam leider Covid-19. Und obschon es jedes Jahr an der SRS spezielle Winterkurse für mathematische Physik gibt, hat es dann leider immer wieder Überschneidungen mit anderen Terminen gegeben. Aber dieses Jahr habe ich es endlich geschafft die Forschungsstation zu besuchen – sogar dreimal.

Im letzten Winter bin ich dazu eingeladen worden, einen Vortag im Rahmen eines Workshops zu halten, was eine gute Gelegenheit war alte Kollegen zu treffen und neue kennen lernen zu dürfen. So ergab es sich, dass ein Teilnehmer des Workshops, den ich zuvor nicht kannte, mich dazu einlud, bei einer anderen Veranstaltung am SRS ebenfalls einen Vortrag zu halten. Und an diesem Vortrag wiederum, entdeckte ich ein Poster für einen Sommerworkshop, der eng mit meiner Forschung zusammenhing. So beschloss ich, mich für die Teilnahme an diesem Workshop zu bewerben.

Die SRS bietet eine Vielzahl von unterschiedlichen Workshops an. Ich denke, dass die Universitäten, die Teil von SwissMAP sind, einen Ort haben wollten, an dem sie sich ihre Mitglieder persönlich treffen können, auch wenn die Veranstaltungen nicht nur für SwissMAP-Mitglieder gedacht sind. Natürlich müssen die Veranstaltungen in einem Bezug zum Forschungsprogramm von SwissMAP stehen, aber auch das ist sehr breit gefächert. Mein Eindruck ist, dass die Aktivitäten am SRS in letzter Zeit zugenommen haben. Der Terminkalender des SRS für dieses Jahr sieht voll aus. Die Leute scheinen den Ort also zu mögen und sind daran interessiert, dort Veranstaltungen durchführen zu können.

Gibt es Ihrer Meinung nach etwas, was die SRS von anderen Veranstaltungsorten für wissenschaftliche Workshops unterscheidet?

Die SRS bietet ein sehr angenehmes Umfeld für Workshops: Die Atmosphäre ist eher informell und die Programme sind so gestaltet, dass genügend Zeit für den Austausch und Diskussionen unter den Teilnehmern bleibt – ganz im Gegensatz zu anderen Workshops, die manchmal zu dicht geplant sein können. Ich habe den Eindruck, dass man sich am SRS aktiv dafür einsetzt keine überfüllten Programme durchzuführen.

Ausserdem trägt auch die Lage der Forschungsstation des SwissMAP in den Bergen zu einer einmaligen Atmosphäre bei. Es ist einfach inspirierend sich nicht in einem Gebäude eingesperrt zu fühlen und inmitten der herrlichen Natur laufen, wandern oder auch Skitouren unternehmen zu können.

Können Sie etwas über Ihre Forschung erzählen?

Ich untersuche Quanten-Vielteilchensysteme, insbesondere Systeme mit vielen wechselwirkenden Teilchen in niedrigeren Dimensionen – zum Beispiel in einer räumlichen und einer zeitlichen Dimension oder in zwei räumlichen Dimensionen. Ich bin daran interessiert, analytische Lösungen für diese niedrigdimensionalen Quanten-Vielteilchensysteme zu finden wenn sie aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Das heisst, ich versuche aus analytischer Sicht zu verstehen, wie sich ein System nach einer externen Störung entwickelt. Solche analytischen Lösungen sind eher selten: Man muss eine Technik entwickeln, die zu einer exakten Lösung führt, aber die naive Erstellung eines Modells für ein gegebenes physikalisches System ist im Allgemeinen zu kompliziert, um es direkt mit analytischen Werkzeugen anzugehen.

Der Prozess beginnt oftmals mit einem System, das die Realität modelliert. Auf dieses System wendet man einige Näherungen an, um ein neues Modell zu erhalten, das dem ursprünglichen System noch nahe genug kommt, aber durch analytische Ansätze besser zugänglich ist. Von dort aus versuche ich, eine analytische Lösung ohne weitere Annäherungen zu finden. Natürlich ist das nicht immer möglich und daher sind manchmal weitere Annäherungen – wie die Verwendung einer halbklassischen Methode – erforderlich.

Experimente mit ultrakalten Atomen simulieren die Art von Systemen, die ich untersuche. So ist meine Forschung teilweise durch die Experimentalphysik motiviert. Auch mit numerischen Modellen können Quanten-Vielteilchensysteme untersucht werden. Das Zusammenspiel zwischen diesen drei Ansätzen – experimentell, numerisch und analytisch – ist an sich schon interessant: Im Idealfall könnte man versuchen, sie quantitativ zu vergleichen.

Hatten Sie die Möglichkeit mit Experimentatoren zusammenzuarbeiten?

Direkt noch nicht. Ich versuche aber in diese Richtung zu gehen und habe daher mit Leuten zusammengearbeitet, die sich intensiv mit Experimenten beschäftigen. Einige meiner Koautoren arbeiten in einem Bereich, der irgendwo zwischen Experiment und Theorie liegt; ich hoffe, dass ich in Zukunft direkter mit Experimentatoren zusammenarbeiten kann.

Was halten Sie von der Zusammenarbeit zwischen theoretischen Physikern und Mathematikern?

Ich denke, dass es eine gewisse Zeit braucht um sich kennenzulernen und eine gemeinsame Basis zu finden. Es ist ist nicht immer einfach zu kommunizieren, manche Menschen sind darin besser als andere. Und manche Menschen sind auch nicht an dieser Art der Zusammenarbeit interessiert. Auch das ist in Ordnung. Es gibt ein Spektrum – eigentlich ein Kontinuum – das vom reinen Mathematiker bis hin zum Physiker reicht. Ich denke, dass ich mich irgendwo in der Mitte befinde, was sowohl Vor- als auch gelegentlich Nachteile haben kann.

Wenn es um den Brückenschlag zwischen den Disziplinen geht, ist Professor Joel Lebowitz von der Rutgers University in den USA für mich inspirierend: Seine Hauptarbeit beschäftigt sich mit der statistischen Physik, seine Forschungsinteressen sind jedoch sehr breit gefächert. Er schätzt es ausserordentlich, wenn Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen zu ihm kommen. Etwas Besonderes vor diesem Hintergrund ist die externe Seite Statistical Mechanics Conference, die Lebowitz seit über sechzig Jahren durchführt und die ein wirklich breites Spektrum an Forschungsthemen abdeckt und immer noch einen informellen Geist aufweist.

Als Doktorand habe ich an einer dieser Konferenzen teilgenommen und einen Fünf-Minuten-Vortrag gehalten – dieses Kurzvortragsformat ist etwas, für das Lebowitz' Konferenzen bekannt sind. Die Konferenz für statistische Mechanik verbindet verschiedene Forschungsgemeinschaften und ist für mich ein inspirierendes Konzept. Ich finde, es ist wichtig, sich fortlaufend zu erneuern und offen für neue Ideen und Ansätze zu sein.

Sie sind Mitautor von zwei in externe Seite SciPost Physics veröffentlichten Artikeln. Dieses Journal wendet im Rahmen seines Open-Access-Publikationsmodells eine sehr kollaborative Peer-Review-Praxis an. Welche Aspekte haben Sie bei Ihrer Entscheidung dort zu publizieren berücksichtigt?

Der Open-Access-Aspekt war sicher einer der Gründe, den ersten Artikel dort einzureichen. Und ganz allgemein war ich neugierig auf dieses Modell. Im Rückblick bin ich froh, dass ich in einem überschaubaren Rahmen daran teilhaben konnte. Ich habe auch das Gefühl, dass die offenen Referee-Reports die Leute dazu ermutigen, sich bei der Begutachtung der Arbeiten mehr Mühe zu geben. Ausserdem ist SciPost Physics in meinem Fachgebiet ein wirklich gutes Journal, so dass es Sinn machte, meine Arbeit dort einzureichen.

 

Aus dem Englischen übersetzt von Kilian Kessler

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