Ein praxisnaher Weg zu optischen Verzögerungen
Verschiedenste Anwendungen von gepulsten Laserquellen sind auf Pulspaare mit schrittweise zunehmenden Zeitintervallen zwischen den Pulsen angewiesen. Solche Pulspaare mit hoher Präzision zu realisieren, ist anspruchsvoll, insbesondere bei langen Intervallen. ETH-Physiker:innen haben nun einen Laser entwickelt, der einen weiten Scanbereich mit hoher Leistung, geringem Rauschen, und einfacher Handhabung kombiniert, und damit vielversprechende Perspektiven für praktische Anwendungen bietet.
Die ultraschnelle Lasertechnologie hat eine Fülle von Methoden für Präzisionsmessungen ermöglicht. Dazu gehört insbesondere eine grosse Klasse von Experimenten, bei denen eine Probe mit einem Puls angeregt und nach einer variablen Zeitspanne die Reaktion mittels eines zweiten Pulses gemessen wird. Bei solchen Untersuchungen sollte die Intervalle zwischen den beiden Pulsen typischerweise im Bereich von Femtosekunden bis Nanosekunden liegen. In der Praxis ist es eine grosse Herausforderung, die Verzögerungszeit über einen so breiten Bereich wiederholbar und präzise zu erhöhen. Ein Team in der Gruppe von Prof. Ursula Keller am Institut für Quantenelektronik, mit Hauptbeiträgen von Dr. Justinas Pupeikis, Dr. Benjamin Willenberg und Dr. Christopher Phillips, hat nun einen wesentlichen Schritt in Richtung einer Lösung gemacht, die das Potenzial hat, für eine breite Palette praktischer Anwendungen eine entscheidende Rolle zu spielen. In der Fachzeitschrift Optica haben sie kürzlich ein vielseitiges Laserdesign vorgestellt und demonstriert, das sowohl herausragende Spezifikationen als auch eine unkomplizierte Handhabe sowie stabilen Betrieb über viele Stunden hinweg bietet.
Der lange Weg zu langen Verzögerungen
Die konzeptionell einfachste Lösung zum Scannen optischer Verzögerungen basiert auf einem einzelnen Laser, dessen Output in zwei Pulse aufgeteilt wird. Während einer der beiden Pulse einen festen Weg zum Ziel nimmt, wird der optische Pfad des zweiten Pulses mit linear verschiebbaren Spiegeln variiert. Je länger der Weg zwischen den Spiegeln ist, desto später kommt der Laserpuls am Ziel an und desto länger ist die Verzögerung relativ zum ersten Puls. Das Problem ist jedoch, dass sich Licht bekanntermassen mit einer extrem hohen Geschwindigkeit fortbewegt und pro Nanosekunde etwa 0,3 Meter zurücklegt (in Luft). Für mechanische Verzögerungsleitungen bedeutet dies, dass das Scannen mit Verzögerungen von bis zu mehreren Nanosekunden grosse Geräte mit komplizierten und in der Regel langsamen mechanischen Konstruktionen erfordert.
Eine elegante Möglichkeit, solche komplexen Konstruktionen zu vermeiden, ist die Verwendung eines Paares von Ultrakurzpulslasern, die Pulsfolgen mit jeweils leicht unterschiedlichen Wiederholraten aussenden. Wenn beispielsweise die ersten Pulse, die von jedem der Laser ausgehen, perfekt synchronisiert sind, dann hat das zweite Paar eine Verzögerung zwischen den Pulsen, die der Differenz der Wiederholungszeiten der beiden Laser entspricht. Das nächste Pulspaar hat die doppelte Verzögerung und so weiter. Auf diese Weise ist ein perfekt lineares und schnelles Abtasten optischer Verzögerungen ohne bewegliche Teile möglich – zumindest theoretisch. Die raffinierteste Art eines Lasersystems, das zwei solcher Pulsfolgen erzeugt, wird als Doppelkamm bezeichnet, in Anlehnung an die spektrale Struktur des Outputs, der aus einem Paar optischer Frequenzkämme besteht.
Während es seit langem klar ist, dass der Doppelkamm-Ansatz vielversprechend ist, kamen Fortschritte bei der Anwendung nur langsam. Dies hängt vor allem mit Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entwicklung eines vielseitig einsetzbaren Lasersystems zusammen, das zwei gleichzeitig arbeitende Kämme in der erforderlichen Qualität und mit hoher relativer Stabilität liefert. Pupeikis et al. haben nun einen Durchbruch auf dem Weg zu einem solchen praktischen Laser erzielt. Der Schlüssel dazu ist eine neue Methode zur Erzeugung der beiden Frequenzkämme in ein und demselben Laserresonator.
Aus einem mach zwei
Die Aufgabe der Forschenden bestand darin, eine Laserquelle zu konstruieren, die zwei kohärente optische Pulsfolgen liefert, welche bis auf den wichtigen Unterschied in der Wiederholrate in allen Eigenschaften identisch sind. Ein natürlicher Weg, dies zu erreichen, besteht darin, die beiden Kämme im selben Laserresonator zu erzeugen. In der Vergangenheit wurden verschiedene Ansätze für die Realisierung eines solchen Laserresonator-Multiplexing vorgestellt. Diese erfordern jedoch in der Regel, dass zusätzliche Komponenten im Inneren des Hohlraums platziert werden. Dies führt unter anderem zu Verlusten und unterschiedlichen Dispersionseigenschaften der beiden Kämme. Die ETH-Physiker:innen haben diese Probleme überwunden und gleichzeitig sichergestellt, dass die beiden Kämme alle Komponenten im Inneren des Resonators gemeinsam nutzen.
Sie erreichten dies, indem sie in den Resonator ein «Biprisma» einfügten, ein optisches Element mit zwei separaten Winkeln an der Oberfläche, von der das Licht reflektiert wird. Das Biprisma teilt die Hohlraummode in zwei Teile auf, und die Forschenden zeigten, dass die beiden Kämme durch eine geeignete Gestaltung des Resonators räumlich an den aktiven Komponenten getrennt werden können, während sie ansonsten einen sehr ähnlichen Weg nehmen. «Aktive Komponenten» bezieht sich hier auf das Verstärkungsmedium, in dem das Laserlicht induziert wird, und auf das so genannte SESAM-Element (Semiconductor Saturable Absorber Mirror), das Modenkoppeln und Pulserzeugung ermöglicht. Durch die räumliche Trennung der Moden in diesen Stufen können zwei Kämme mit unterschiedlichen Abständen erzeugt werden, während die meisten anderen Eigenschaften im Wesentlichen identisch sind. Insbesondere haben die beiden Kämme ein stark korreliertes Zeitrauschen. Will heissen, dass zwar Unvollkommenheiten in der zeitlichen Kammstruktur unvermeidbar auftreten, diese sind aber bei beiden Kämmen fast gleich, so dass es möglich ist, dieses Rauschen zu unterdrücken.
Ein Tor zu praktischen Anwendungen
Ein herausragendes Merkmal der jetzt vorgestellten neuen Einzelresonatorarchitektur ist, dass sie keine Kompromisse beim Laserdesign erfordert. Stattdessen können Hohlraumarchitekturen, die für den Ein-Kamm-Betrieb optimal sind, für den Zwei-Kamm-Betrieb angepasst werden. Damit stellt das neue Design auch eine wesentliche Vereinfachung im Vergleich zu kommerziellen Produkten dar und eröffnet einen Weg für die Produktion und den Einsatz dieser neuen Klasse von ultraschnellen Laserquellen.
Die bei den ersten Demonstrationen erzielten Benchmarks sind höchst ermutigend. Die Forschenden haben eine optische Verzögerung von 12,5 ns (das entspricht einer Entfernung von 3,75 m in Luft) gescannt, mit einer Genauigkeit von 2 fs (das ist weniger als ein Mikrometer in physischer Entfernung), bei Raten von bis zu 500 Hz und mit einer rekordhohen Stabilität für einen Einzelresonator-Doppelkamm-Laser. Die erzielten Eckdaten – einschliesslich der hohen Leistung von mehr als 2,4 W für jeden Kamm, der kurzen Pulsdauer von weniger als 140 fs und der nachgewiesenen Kopplung mit einem optischen parametrischen Oszillator (OPO) zur Umwandlung des Lichts in einen anderen Wellenlängenbereich – unterstreichen das praktische Potenzial des Ansatzes für ein breites Spektrum von Messungen, von der präzisen optischen Entfernungsmessung bis zur hochauflösenden Absorptionsspektroskopie und nichtlinearen Spektroskopie zur Erfassung ultraschneller Phänomene.
Literaturhinweis
Pupeikis J, Willenberg B, Camenzind SL, Benayad A, Camy P, Phillips CR & Keller U: Spatially multiplexed single-cavity dual-comb laser. Optica 9, 713–716 (2022). externe Seite DOI:10.1364/OPTICA.457787