Die Grenzen der Licht-Materie-Kopplung auf der Nanoskala
Institute for Quantum Electronics (IQE)
In nanophotonischen Systemen können Licht und Materie auf eine Weise gekoppelt werden, die neue Quantenphänomene ermöglicht. Theoretische und experimentelle Arbeiten zeigen nun, dass es physikalische Grenzen dafür gibt, wie stark die Licht-Materie-Kopplung in solchen Systemen sein kann.
Das Zusammenspiel von Licht und Materie umfasst ein beeindruckendes Spektrum an Phänomenen, von der Photosynthese bis hin zu den faszinierenden Farben von Regenbogen und Schmetterlingsflügeln. So vielfältig diese Manifestationen auch sein mögen, ihnen allen liegt eine sehr schwache Licht-Materie-Kopplung zugrunde – im Wesentlichen wechselwirkt Licht mit der Materie, verändert aber deren grundlegenden Eigenschaften nicht. Bei künstlichen Systemen, die spezifisch so erzeugt wurden, dass die Licht-Materie-Kopplung besonders stark ist, treten jedoch deutlich andere Phänomene auf. Dann können nämlich Quantenzustände entstehen, die weder Licht noch Materie sind, sondern eine Mischung aus beiden. Solche Zustände sind sowohl aus fundamentaler Sicht als auch für die Entwicklung neuartiger Funktionalitäten von grossem Interesse, beispielsweise um Wechselwirkungen zwischen Photonen zu ermöglichen. Die bisher stärksten Kopplungen wurden mit Halbleitermaterialien realisiert, die in winzige photonische Hohlräume eingeschlossen werden. In diesen Systemen wird die Kopplung typischerweise erhöht, indem der Hohlraum immer kleiner gemacht wird. Aber selbst wenn die damit verbundenen Herausforderungen bei der Herstellung bewältigt werden können, stösst der Ansatz an grundlegende physikalische Grenzen, wie ein Team um die Professoren Giacomo Scalari und Jérôme Faist vom Institut für Quantenelektronik in einer heute in Nature Photonics veröffentlichten Arbeit berichtet. Mit dieser Studie wird der Miniaturisierung solcher nanophotonischer Geräte quantitative Grenzen gesetzt.
Von Stärke zu Stärke …
In den vergangenen vier Jahrzehnten wurden verschiedene Plattformen entwickelt, um eine starke Kopplung zwischen Licht und Materie zu erreichen. Eine davon wurde erstmals 2011 von Scalari in der Faist-Gruppe experimentell realisiert, und diese sticht dadurch heraus, dass sie seitdem über die Jahre fast kontinuierlich eine der stärksten erreichten Licht-Materie-Kopplungen liefert. Wichtig ist, dass im Zuge immer neuer Rekorde das „ultrastarke“ Regime erreicht wurde, in dem die Licht-Materie-Kopplung mit den relevanten Energien des ungekoppelten Materiesystems vergleichbar ist, was den Zugang zu einer Fülle neuer Phänomene ermöglicht.
Herzstück dieser Rekordplattform sind sogenannte metallische Split-Ring-Resonatoren (siehe Abbildung), in denen sich elektromagnetische Felder in kleinsten Volumina lokalisieren lassen, weit unterhalb der Wellenlänge des verwendeten Lichts, typischerweise Terahertz-Strahlung. Die mikrometergrossen Lücken dieser Resonatoren sind mit Halbleiter-Quantentöpfen mit geeigneten elektronischen Eigenschaften beladen, die als Materiesystem dienen. Ein natürlicher Weg zur Erhöhung der Kopplung zwischen Anregungen in den Quantentöpfen und dem im Resonator eingeschlossenen Licht besteht dann darin, die Breite der Lücke (d in der Abbildung) zu verringern. Wie stark die Kopplung auf diese Weise gemacht werden kann, blieb jedoch eine offene Frage.
… aber innerhalb von Grenzen
Shima Rajabali, Doktorandin in der Gruppe von Scalari und Faist, jetzt theoretisch und experimentell erforscht, ob es in solchen Systemen eine grundlegende physikalische Grenze für die Beschränkung auf Subwellenlängen gibt. Die Quantentöpfe kamen von ETH Senior Scientist Mattias Beck, und die theoretischen Grundlagen von Simone De Liberato und Erika Cortese von der Universität Southampton (GB). Das Team stellte fest, dass es für die Stärke der erreichbaren Kopplung tatsächlich eine physikalische Grenze gibt: Wenn das elektromagnetische Feld in immer kleinere Volumina konzentriert wird, beginnt sich irgendwann die Natur der Licht-Materie-Hybridzustände (in ihrem Fall als Polaritonen bekannt) zu ändern. Diese grundlegende Änderung der polaritonischen Eigenschaften verhindert wiederum eine weitere Erhöhung der Kopplungsstärke.
Diese Einschränkung ist kein weit entferntes Szenario. In nanophotonischen Systemen wurden bereits Signaturen dieses Paradigmenwechsels gesehen. Nur, dass es kein klares Verständnis für die zugrunde liegenden Gründe gab. Diese Lücke wird nun von Rajabali et al. geschlossen. Ausserdem könnten ihre neu gefundenen Erkenntnisse nicht nur für die nun untersuchten spezifischen Materialien gelten, sondern auch für andere nanooptische Systeme, beispielsweise solche auf Basis von Graphen oder Übergangsmetall-Dichalkogeniden (TMDs), und für andere Resonatorgeometrien als Split-Ring-Resonatoren. Daher sollte die neue Arbeit der Licht-Materie-Kopplung allgemeine quantitative Grenzen setzen.
Nicht-lokale Effekte
Um die Grenzen der Erhöhung der Licht-Materie-Kopplung durch Verringerung des Subwellenlängenvolumens, in welches das Licht konzentriert ist, zu untersuchen, entwickelte das Team ein theoretisches Gerüst, dessen Vorhersagen experimentell und in Computersimulationen getestet wurden. Ein wichtiges Ergebnis war, dass auf den kleinsten betrachteten Längenskalen – Systeme mit Lücken von bis zu 250 Nanometern Breite wurden untersucht – nicht-lokale Effekte auftraten. Dies liegt daran, dass unterhalb einer kritischen Längenskala das eng begrenzte Lichtfeld im Resonator nicht nur an gebundene elektronische Zustände des Quantentopfs koppelt, sondern an ein Kontinuum von Anregungen mit hohem Impuls, die aus einer bekannten zweidimensionalen Plasmonendispersion im Quantentopf stammen. Dies verändert grundlegend, wie Licht und Materie in diesen nanophotonischen Systemen interagieren können.
Rajabali und ihre Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass diese Transformation in ein von polaritonischer Nicht-Lokalität beherrschtes Regime zu Phänomenen führt, die mit den klassischen und linearen Quantentheorien, die normalerweise zur Modellierung des Zusammenspiels zwischen Licht und Materie verwendet werden, nicht reproduziert werden können. Mit anderen Worten: Wir können sicher sein, dass es in der faszinierenden Arena der Licht-Materie-Wechselwirkung noch viel zu erforschen gibt.
Literaturhinweis
Rajabali S, Cortese E, Beck M, De Liberato S, Faist J, Scalari G: Polaritonic nonlocality in light–matter interaction. Nat. Photon. externe Seite DOI: 10.1038/s41566-021-00854-3 (2021).