Energiereichste Photonen aus einem Gammastrahlenausbruch detektiert
Astrophysics (IPA)
Mit der Beobachtung eines Gammastrahlenausbruchs durch die Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov (MAGIC) Teleskope – eine internationale Kollaboration, in welcher ETH-Forschende eine führende Rolle haben – wurden die bislang energiereichsten Photonen detektiert, die durch solche gewaltsamen Explosionen freigesetzt werden.
Gammastrahlenausbrüche (engl. Gamma Ray Bursts, GRBs) sind die heftigsten Explosionen im Universum. Sie treten ungefähr einmal täglich am Himmel auf, und es wird angenommen, dass sie aus dem Zusammenbruch massereicher Sterne oder der Verschmelzung von Neutronensternen in fernen Galaxien resultieren. Sie beginnen mit einem sehr hellen Blitz, der sogenannten sofortigen Emission (engl. prompt emission), mit einer Dauer zwischen einem Sekundenbruchteil und Hunderten von Sekunden. Die prompte Emission geht einher mit dem sogenannten Nachglühen (engl. afterglow), einer weniger hellen, aber länger anhaltenden Emission über einen weiten Wellenlängenbereich, die mit der Zeit verblasst. Der erste von den MAGIC-Teleskopen GRB – welcher die Bezeichnung 190114C erhalten hat – zeigt die höchstenergetischen Photonen, die bislang von diesen Objekten gemessenen wurden.
Über diese bahnbrechende Leistung von MAGIC wird in zwei Arbeiten berichtet, die heute in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden. Eine beschreibt die Detektion von Gammastrahlen mit sehr hoher Energie aus GRB 190114C, und die andere zeigt eine Analyse des Ereignisses bei mehreren Wellenlängen. Diese Ergebnisse liefern wichtige neue Erkenntnisse zum Verständnis der physikalischen Prozesse, die GRBs zu Grunde liegen. Die von MAGIC detektierten Photonen müssen aus einem Prozess stammen, der bisher im Nachglühen von GRBs nicht zu sehen war. Mit diesem zweiten physikalischen Prozess – einer verantwortlich für die Emission bei niedrigeren Energien und der andere bei hohen Energien – verdoppelt im Wesentlichen die Gesamtleistung, die im Nachglühen des GRB abgegeben wird.
MAGIC-Detektion und Multi-Wellenlängen-Beobachtungen von GRB 190114C
Am 14. Januar 2019 wurde ein GRB unabhängig voneinander von zwei Weltraumsatelliten entdeckt: dem Neil Gehrels Swift Observatory und dem Fermi-Gammastrahlen-Weltraumteleskop. Das Ereignis erhielt den Namen GRB 190114C und innerhalb von 22 Sekunden wurden seine Koordinaten am Himmel als elektronische Warnung an Astronomen weltweit verteilt, einschliesslich der MAGIC-Kollaboration, die zwei Cherenkov-Teleskope mit 17 m Durchmesser auf der Kanarischen Insel La Palma in Spanien betreibt. Da GRBs an unvorhersehbaren Stellen am Himmel erscheinen und dann schnell verblassen, erfordert ihre Beobachtung mit Teleskopen wie MAGIC eine spezielle Strategie.
Ein automatisches System verarbeitet die GRB-Warnungen von Satelliteninstrumenten in Echtzeit und lässt die MAGIC-Teleskope schnell auf die Himmelsposition des GRB zeigen. Die Teleskope wurden so konstruiert, dass sie sehr leicht sind und ihre Position schnell verändert werden kann: Trotz des Gewichts von jeweils 64 Tonnen können sie in nur etwa 25 Sekunden eine bestimmte Position am Himmel erreichen und beobachten. Bereits 50 Sekunden nach Beginn des GRB konnte MAGIC die Beobachtung des GRB 190114C starten.
Die Analyse der resultierenden Daten für die ersten zehn Sekunden zeigt die Emission von Photonen in der Nachglühphase, welche Tera-Elektronvolt (TeV)-Energien besitzen — eine Billion mal energetischer als sichtbares Licht. Während dieser Zeit war die Emission von TeV-Photonen aus GRB 190114C hundertmal intensiver als die hellste bekannte stetige Quelle bei TeV-Energien, der Krebsnebel. Damit wurde GRB 190114C zum neuen Rekordhalter für die hellste bekannte Quelle für TeV-Photonen. Wie für GRB-Nachglühen zu erwarten, sank die Emission mit der Zeit schnell ab, ähnlich der Nachglühemission, die bei niedrigeren Energien bekannt war. Die letzten Signale von GRB 190114C wurden von MAGIC eine halbe Stunde später gesehen.
Ein eindeutiger Nachweis von TeV-Photonen aus einem GRB wurde von der MAGIC-Kollaboration nur wenige Stunden nach den Satellitenalarmen der internationalen Forschungsgemeinschaft gegenüber vermeldet, nach einer sorgfältigen Überprüfung der vorläufigen Daten. Dies ermöglichte eine umfangreiche Kampagne von weiteren Beobachtungen bei anderen Wellenlängen, in der GRB 190114C durch mehr als zwei Dutzend Observatorien und Instrumente ins Visier genommen wurde. Damit ergab sich nach und nach ein vollständiges Bild von diesem GRB, vom Radioband bis zu TeV-Energien. Insbesondere ermöglichten optische Beobachtungen eine Messung der Entfernung zu GRB 190114C, welche rund 4,5 Milliarden Lichtjahre beträgt.
Photonen mit der höchsten Energie aus einem neu entdeckten Emissionsprozess
Obwohl die TeV-Emission in GRB-Nachglühen in einigen theoretischen Studien vorhergesagt worden war, war sie lange Zeit nie beobachtet worden, trotz zahlreicher Untersuchungen bei TeV-Energien in den letzten Jahrzehnten mit verschiedenen Instrumenten, einschliesslich MAGIC. Welcher physikalische Mechanismus steckt hinter der Produktion der TeV-Photonen, die schliesslich von MAGIC entdeckt wurden? Antonio Stamerra, stellvertretender Sprecher der MAGIC-Kollaboration, betont: «Diese Energien sind viel höher als von Synchrotronstrahlung zu erwarten, die durch hochenergetische Elektronen verursacht wird, welche sich spiralförmig in Magnetfeldern bewegen. Es wird angenommen, dass dieser Prozess ist für die Emission verantwortlich, die in früheren Messungen von GRB-Nachglühen bei niedrigen Energien beobachtet wurde. Diese neuen Ergebnisse, zusammen mit den sehr umfassenden Multi-Wellenlängen-Daten, liefern erste eindeutige Nachweise für einen zusätzlichen, anderen Emissionsprozess im Nachglühen.» Lara Nava, Wissenschaftlerin der MAGIC-Kollaboration, fügt hinzu: «Aus unserer Studie geht hervor, dass der wahrscheinlichste Ursprung der TeV-Emission der sogenannte inverse Compton-Prozess ist, bei dem eine Photonenpopulation durch Kollision mit energiereichen Elektronen erheblich an Energie gewinnt.»
«Nach mehr als 50 Jahren seit der Entdeckung von GRBs bleiben viele ihrer grundlegenden Aspekte immer noch rätselhaft», sagt Razmik Mirzoyan, der Sprecher der MAGIC-Kollaboration. «Die Entdeckung der Gammastrahlung von GRB 190114C im neuen, TeV-Fenster des elektromagnetischen Spektrums zeigt, dass die GRB-Explosionen noch stärker sind als gedacht. Die Fülle an neuen Daten zu GRB 190114C, die von MAGIC erfasst wurden, und die umfangreichen Beobachtungen zur Multi-Wellenlängen-Nachverfolgung bieten nun wichtige Hinweise, um einige der Rätsel bezüglich der in GRBs ablaufenden physikalischen Prozesse zu lösen.»
Eine vergleichende Studie aller früheren GRB-Beobachtungen von MAGIC legt nahe, dass GRB 190114C kein besonders einzigartiges Ereignis war, abgesehen von seiner relativen Nähe (etwa 4,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt), und dass der erfolgreiche Nachweis der hervorragenden Leistung des Instruments zu verdanken ist. «MAGIC hat ein neues Fenster zum Studium von GRBs geöffnet», sagt Susumu Inoue, der Koordinator der MAGIC Transients-Arbeitsgruppe, die am meisten an dem Projekt beteiligt ist. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir möglicherweise viel mehr GRBs bei TeV-Energien nachweisen können. Dies wird den Weg ebnen für ein viel tieferes Verständnis dieser faszinierenden kosmischen Explosionen.»
Aktive Rolle von ETH-Forschenden in der MAGIC-Kollaboration
Die MAGIC-Teleskope ermöglichen die Beobachtung von höchstenergetischen galaktischen Systemen wie Supernovaüberrest, Pulsaren und binären Systemen sowie von extragalaktischen Objekten, insbesondere aktiven galaktischen Kernen und, wie jetzt gezeigt, GRBs. Diese Beobachtungen bilden wiederum die Grundlage für die Untersuchung einer Vielzahl astrophysikalischer Fragen.
Zu den Mitgliedern der MAGIC-Kollaboration gehört auch die Gruppe von Prof. Adrian Biland am Institut für Teilchenphysik und Astrophysik der ETH Zürich — Biland ist zudem im MAGIC-Vorstand — und zuvor die Gruppe von Prof. Felicitas Pauss, die 2016 in den Ruhestand getreten ist. Die ETH-Gruppe konzentriert sich auf verschiedene wissenschaftliche Fragestellungen, die mit MAGIC untersucht werden. Sie waren zwar nicht direkt an den heute gemeldeten GRB-Studien beteiligt, haben aber mit ihrer Verantwortung für die Active-Mirror-Control-Einheit eine wichtige Rolle dabei, sicherzustellen, dass MAGIC qualitativ hochwertige Daten liefert, die für zukunftsweisende Studien wie die nun vorgestellte von zentraler Bedeutung sind. Diese Steuereinheit stellt sicher, dass die Teleskope ihre optische Qualität beibehalten, wenn sie sich bei der Neupositionierung unter ihrem eigenen Gewicht verformen. Dies erfordert eine aktive Korrektur von etwa 240 Spiegelsegmenten pro Teleskop.
(Text basierend auf einer externe Seite MAGIC-Pressemitteilung)
Literaturhinweise
MAGIC Collaboration: Teraelectronvolt emission from the γ-ray burst GRB 190114C. Nature externe Seite doi: 10.1038/s41586-019-1750-x (2019).
MAGIC Collaboration: Observation of inverse Compton emission from a long γ-ray burst. Nature externe Seite doi: 10.1038/s41586-019-1754-60 (2019).
Weitere Informationen
Zhang B: externe Seite Extreme emission seen from γ-ray bursts (News-&-Views-Artikel). Nature 575, 448 (2019).
externe Seite Video mit Erklärungen zu der Entdeckung hochenergetischer Gammastrahlen von GRBs durch MAGIC (Max-Planck-Institut für Physik)