Atomtransport mit einem bestimmten Dreh
Institute for Quantum Electronics (IQE)
Die Gruppe von Tilman Esslinger demonstriert die gleichzeitige Kontrolle von Transport- und Spineigenschaften kalter Atome und schafft damit eine Plattform für die Erforschung von Konzepten in der Spintronik und der Festkörperphysik.
Eines der eher unerwarteten Dinge, die mit ladungsneutralen Atomen gemacht werden können, ist, sie dazu verwenden, das grundlegende Verhalten von Elektronen nachzubilden. In den vergangenen Jahren hat die Gruppe von Tilman Esslinger am Institut für Quantenelektronik die Grundlage für solche Experimente geschaffen. Sie kühlen dafür Atome in separaten Reservoirs auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ab und legen danach eine Potentialdifferenz an, durch welche die Atome durch ein- und zweidimensionale Strukturen transportiert werden. Auf diese Weise können Phänomene detailliert erkundet werden, die typischerweise in mesoskopischen elektronischen Systemen auftreten, nicht zuletzt die quantisierte Leitfähigkeit. In zwei Artikeln, die heute in Physical Review Letters und in Physical Review A erschienen sind, berichten Postdoktorandin Laura Corman, der ehemalige Doktorand Martin Lebrat und Kolleginnen und Kollegen in der Esslinger-Gruppe, dass sie in ihren Transportexperimenten nun auch eine weitere Quanteneigenschaft der Atome kontrollieren können — den Spin.
Ein optischer Strahl (rot) bewirkt einen Effekt, der dem Anlegen eines Magnetfelds innerhalb einer optisch definierten Struktur entspricht, in welcher sich Atome bewegen (grün). Atome im energetisch niedrigeren Spin-Zustand (orange) können fliessen, während Atome in einem höheren Spin-Zustand (blau) blockiert werden.
(Angepasst von externe Seite doi: 10.1103/PhysRevLett.123.193605)
Das Team verwendete einen eng fokussierten Laserstrahl, welche auf die Verengung im Transportkanal gerichtet ist. Das zusätzliche Lichtfeld wechselwirkt mit den Atomen in einer Weise, die äquivalent ist zu der eines starken Magnetfelds. Dies führt dazu, dass die Entartung der Spinzustände aufgehoben wird, was wiederum als Grundlage für einen effizienten Spinfilter dient: Atome mit einer Spinorientierung werden abgestossen, während Atome mit einer anderen Orientierung passieren können (siehe Abbildung). Wichtig dabei ist, dass obwohl das zusätzliche Lichtfeld zum Verlust von Atomen führt, diese dissipativen Prozesse die Quantisierung der Leitfähigkeit nicht zerstören. Die ETH-Forschenden replizieren diese experimentelle Beobachtung in numerischen Simulationen und belegen seine Gültigkeit durch eine Erweiterung des Landauer-Büttiker-Modells, dem Schlüsselformalismus für den Quantentransport.
Der Wirkungsgrad des Atomspinfilters entspricht dem der besten äquivalenten Elemente für elektronische Systeme. Zusammen mit der aussergewöhnlichen „Sauberkeit“ und Steuerbarkeit von Systemen, die auf kalten Atomen und durch Lichtfelder definierte Strukturen beruhen, eröffnen sich interessante neue Perspektiven für die Erforschung der Dynamik des Quantentransports. Im Besonderen, da die Wechselwirkung zwischen den Atomen kontrolliert werden kann werden kann, bietet die Plattform Zugang zum Spin-Transport von stark korrelierten Quantensystemen. Dieses Regime ist ansonsten schwer zu studieren, ist aber von erheblichem grundlegendem und praktischem Interesse, nicht zuletzt für Anwendungen in spintronischen Geräten und zur Erforschung grundlegender Phasen der Materie.
Literaturhinweise
Lebrat M, Häusler S, Fabritius P, Husmann D, Corman L, Esslinger T: Quantized conductance through a spin-selective atomic point contact. Phys. Rev. Lett. 123, 193605 (2019). externe Seite doi: 10.1103/PhysRevLett.123.193605
Corman L, Fabritius P, Häusler S, Mohan J, Dogra LH, Husmann D, Lebrat M, Esslinger T: Quantized conductance through a dissipative atomic point contact. Phys. Rev. A 100, 053605 (2019). externe Seite doi: 10.1103/PhysRevA.100.053605
Weitere Literatur
Rini M: externe Seite Filtering Atoms by Their Spin. Physics 12, 124 (2019).