Scharfblick auf den Mond
Heute vor 50 Jahren ging die historische Apollo-11-Mission zu Ende. Dass die Teams in den NASA-Kontrollzentren einen klaren Blick auf das Geschehen hatten, dafür sorgte unter anderem eine geniale Erfindung von Fritz Fischer (1898–1947), ETH-Professor für technische Physik: Der Eidophor – ein Gerät, um Fernsehbilder auf Grossleinwände zu projizieren.
Die Apollo-11-Mission – der erste bemannte Raumflug mit einer Landung auf dem Mond – war und bleibt ein Meilenstein der Menschheitsgeschichte. Unzählige Faktoren trugen bei zum Erfolg dieser Mission, die heute vor 50 Jahren mit der sicheren Rückkehr von Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins zur Erde zu Ende ging. Beiträge kamen auch von zahlreichen Schweizer Firmen, von den Araldit-Epoxidharzen aus dem Hause Ciba bis zur Omega-«Monduhr», der Speedmaster (siehe diese Zusammenstellung zu externe Seite Schweizer Technik auf dem Mond). Eine sehr sichtbare Rolle im Apollo-Programm hatte ein Produkt, das seinen Ursprung an der ETH hat, das über Jahrzehnte führend auf seinem Gebiet war, und das heutzutage weitgehend von der Bildfläche verschwunden ist. Eidophor-Projektoren der Firma Gretag AG in Regensdorf wurden dazu benutzt, in den NASA-Kontrollzentren in Cape Canaveral und Houston Daten und Fernsehbilder auf Grossleinwände zu projizieren (siehe Bild oben).
Eine geniale Idee
Das Eidophor-Verfahren wurde vom Schweizer Elektroingenieur Fritz Fischer (1898–1947) erfunden. Fischer studierte von 1917 bis 1924 an der ETH, um danach zunächst in den Telefonwerken Albisrieden und später bei Siemens & Halske in Berlin wesentliche Beiträge zu diversesten Gebieten zu leisten, darunter Steuersysteme für Flugzeuge und Schiffe sowie Verfahren für Farb- und Tonfilme. 1933 kehrte Fischer in die Schweiz zurück, um an der ETH Zürich zu lehren, forschen und unter anderem die Abteilung für industrielle Forschung (AFIF) am Institut für Technische Physik aufzubauen. Und hier entwickelte er das Eidophor-Verfahren (der Name geht auf die griechischen Wortwurzeln eido, «Bild», und phor, «Bringer», zurück).
Die Idee war, Fernsehbilder auf Flächen zu projizieren, welche die Grösse einer Kinoleinwand haben. Braun’sche Röhren sind für diese Aufgabe nicht geeignet, da sie zu wenig hell sind. Deswegen wird im Eidophor zusätzlich zum Kathodenstrahl eine Bogenlampe verwendet, um die notwenige Leuchtkraft zu erreichen. Das Bild wird dadurch generiert, dass der Kathodenstrahl das Bild auf einen elektrisch leitenden Ölfilm zeichnet, der einen rotierenden Spiegel überzieht. Die elektrischen Entladungen bewirken leichte Deformationen des Ölfilms, wodurch das Licht der Bogenlampe je nach Ort unterschiedlich gestreut wird. Dadurch wird schliesslich das vom Kathodenstrahl erzeugte Fernsehbild durch die Reflektion der Bogenlampe widergegeben.
Der lange Weg zum Erfolg
Das Verfahren wurde 1939 patentiert, und nach einer langen Entwicklungszeit wurde im Dezember 1943 ein erster Prototyp in Betrieb genommen. Dieser wurde später durch einen zweiten Prototypen abgelöst – ein Gerät von stolzer Grösse (siehe Bild links), das zwei Stockwerke im alten Physikgebäude der ETH einnahm. Wichtige Beiträge zur Entwicklung leistete Fischers Oberassistent Edgar Gretener, der nach Fischers frühen Tod im Dezember 1947 die Entwicklung in einer eigenen Firma, der Dr. Edgar Gretener AG, vorantrieb. Aber erst nach Greteners Tod 1958 (seine Firma wurde darauf in Gretag umfirmiert und von Ciba übernommen) war dem Eidophor kommerzieller Erfolg beschieden.
Die Systeme waren immer noch massiv, aber kompakt genug, um transportiert und in Fernsehstudios, Sportstadien und Hörsälen eingesetzt werden zu können. (Aus dem ursprünglich geplanten Einsatz in Kinosälen wurde jedoch trotz vielversprechenden ersten Schritten nichts.) Unter anderem kam der Eidophor auch an das Departement Physik der ETH zurück, welches mittlerweile eine neue Heimat auf dem Hönggerberg gefunden hat. Dort wurde er im Vorlesungsbetrieb verwendet. Noch heute steht im Keller des HPH-Gebäudes ein Gerät (ein Grossbild-Fernsehprojektor Eidophor EP 8), welches sich auch 25 Jahre nach seiner Ausserbetriebnahme in einem erstklassigen Zustand befindet (siehe Fotos unten).
Einsatz in der Raumfahrt
Eine Glanzstunde, nicht zuletzt für das Gretag-Marketingteam, erfuhr der Eidophor aber durch seinen Einsatz bei der NASA, zunächst im Apollo-Programm, aber auch in späteren Programmen. Die ersten Schritte auf dem Mond, wie auch der Weg dorthin und zurück, wurde auf 34 Eidophor-Bildschirmen gezeigt (die Geräte werden in den externe Seite Apollo-11-Gesprächsprotokollen mehrfach erwähnt). Für diesen Einsatz wurden die Geräte so angepasst, dass die statt den üblichen 525 Zeilen derer 945 darstellen konnten. Die NASA hatte diese Anforderung gestellt, um genügend viele Daten auf dem Bild unterbringen zu können. Und auch die Entscheidungsträger in der Sowjetunion wussten die Eidophor-Systeme zu schätzen – auch im Kosmodrom Baikonur kamen diese zum Einsatz.
Das Eidophor-Verfahren wurde schliesslich durch neuere Technologien abgelöst. Das tut aber der Tatsache keinen Abbruch, dass der Erfolg des Eidophors in wunderbarer Weise untermalt, wie eine scheinbar einfache Idee, akribisch umgesetzt, zu unerwarteten Anwendungen führen kann. Eine Vielzahl solcher Ideen haben schliesslich mit der ersten Mondlandung etwas möglich gemacht, was uns auch 50 Jahre später wundern und staunen lässt.
Quellen
ETHeritage Blog: Viel Licht für grosse Leinwände – Der Eidophor (2015).
C. Meyer. Der Eidophor: Ein Grossbildprojektionssystem zwischen Kino und Fernsehen 1939-1999 (Chronos-Verlag Zürich, 2009).
F. F. Betschon, S. Betschon, J. Lindecker. Ingenieure bauen die Schweiz: Technikgeschichte aus erster Hand (NZZ Libro Zürich, 2014).