Dunkle Galaxien zum Leuchten gebracht
Neue Beobachtungsdaten haben es einem internationalen Team unter der Leitung von ETH-Forschenden ermöglicht, mindestens sechs Kandidaten für "dunkle Galaxien" zu identifizieren — Galaxien, die wenige (wenn überhaupt) Sterne enthalten und deshalb mit aktuellen Instrumenten schwer zu entdecken sind.
Trotz bedeutender Fortschritte im Laufe des vergangenen halben Jahrhunderts in unserem Verständnis, wie sich Galaxien bilden, bleiben wichtige Fragen offen. Insbesondere ist es nicht klar, wie das als "intergalaktisches Medium" bekannte diffuse Gas in Sterne umgewandelt wird. Eine in neueren theoretischen Modellen vorgeschlagene Möglichkeit ist, dass die Frühphase der Galaxienentstehung eine Epoche einschliesst, in der die Galaxien eine große Menge an Gas enthalten, aber noch nicht effizient Sterne bilden können. Der direkte Nachweis für eine solche "Dunklen Phase" ist jedoch schwer zu erbringen — schliesslich geben dunkle Galaxien kaum bzw. kein sichtbares Licht ab. Die Entdeckung solcher Galaxien würde daher eine bedeutende Lücke in unserem Verständnis der Evolution von Galaxien füllen.
Es gibt jedoch Möglichkeiten, dunkle Galaxien aufzuhellen. Ein internationales Team unter der Leitung von Dr. Raffaella Anna Marino und Prof. Sebastiano Cantalupo vom Departement Physik der ETH Zürich hat nun genau das getan und konnte so den Himmel mit bisher unerreichter Effizienz nach möglichen dunklen Galaxien durchsuchen. Und die Suche war erfolgreich: wie sie in einem heute veröffentlichten Artikel in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal berichten, haben sie mindestens sechs Kandidaten für dunkle Galaxien identifiziert.
Um das Hindernis zu überwinden, dass die Objekte ihrer Suche dunkel sind, benutzte das Team eine Art Taschenlampe, in der Form von Quasaren. Diese emittieren intensives ultraviolettes Licht, das wiederum eine Fluoreszenzemission in Wasserstoffatomen induziert, die sogenannte Lyman-alpha-Linie. Damit wird das Signal von möglichen dunklen Galaxien in der Nähe des Quasars verstärkt, und die Galaxie wird sichtbar. Eine solche "fluoreszierende Beleuchtung" wurde bereits früher bei der Suche nach dunklen Galaxien verwendet, aber Marino et al. haben nun die Nachbarschaft von Quasaren durchforstet, die sich in grösserer Entfernungen von der Erde befinden, als dies in früheren Beobachtungen der Fall war.
Zudem hat das Team die vollständige spektrale Information für jeden der Kandidaten für eine dunkle Galaxie aufgezeichnet. Die Tiefe der Beobachtungen — 10 Stunden für jedes der sechs Quasarfelder, die sie beobachteten — befähigten Marino und ihre Kollegen, effizient die Kandidaten für dunkle Galaxien von anderen Quellen zu unterscheiden. Von anfänglich 200 Lyman-alpha-Quellen blieb ein halbes Dutzend Regionen über, für es unwahrscheinlich ist, dass sie normale Stern-bildende Sternenpopulationen sind. Mit anderen Worten: sie sind robuste Kandidaten für dunkle Galaxien.
Diese Beobachtungen wurden möglich gemacht durch das Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) Instrument am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Im Wesentlichen waren frühere Studien dadurch beschränkt, das nur ein relativ enges Band an Frequenzen abgebildet werden konnte, was den Einsatz von Filtern erforderte. Das MUSE-Instrument erlaubt stattdessen, ‚blind‘ (sprich, ohne Filter) Jagd nach dunklen Galaxien rund um Quasare zu machen.
Diese Arbeit ist eine Zusammenarbeit zwischen Forschenden an der ETH Zürich, der Universität Leiden (Niederlande), dem Paul Scherrer Institut (Schweiz), der Universität Lyon (Frankreich), der Universität Porto (Portugal), der Universität Malta (Malta) der Universität Toulouse (Frankreich), der Universität Cambridge (GB), der Universität Potsdam (Deutschland) und dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (Deutschland).
Literaturhinweis
Marino RA, Cantalupo S, Lilly SJ, Gallego SG, Straka LA, Borisova E, Bacon R, Brinchmann J, Carollo CM, Caruana J, Conseil S, Contini T, Diener C, Finley H, Inami H, Leclercq F, Muzahid S, Richard J, Schaye J, Wendt M, Wisotzki L. Dark Galaxy Candidates at Redshift ~3.5 Detected with MUSE. The Astrophysical Journal externe Seite doi:10.3847/1538-4357/aab6aa (2018).
(externe Seite arXiv-Preprint)