Kalte Atome im Fluss
- Forschung
- Institute for Quantum Electronics (IQE)
Die Rastergatemikroskopie wird normalerweise dazu verwendet, die örtliche Verteilung der elektrischen Leitfähigkeit in Halbleiterbauelementen zu erfassen. ETH-Physiker haben sich nun die Methode zu eigen gemacht, um kalte neutrale Atome abzubilden wie sie durch Verengungen transportiert werden, die so eng sind, dass Quanteneffekte ins Spiel kommen. Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial, neutrale Atome dazu zu verwenden, den elektronischen Transport durch Nanostrukturen zu simulieren.
Durch eine Reihe von Arbeiten1-4 hat die Gruppe von Tilman Esslinger in den vergangen Jahren atomare Quantengase als eine vielversprechende Plattform für das Studium von Phenomänen des Quantentransports etabliert.
In ihrem Ansatz werden zwei Reservoirs mit ultrakalten Atomen (hier schematisch in orange dargestellt) durch einen mesoskopischen Kanal verbunden, analog zur Situation in quantenelektronischen Experimenten. Die Atome befinden und bewegen sich dabei aber in Strukturen, die durch optische Potenziale definiert werden. Damit ist Grundlage geschaffen für ein höchst sauberes und kontrollierbares Quantensystem.
Samuel Häusler und seine Kollegen in der Esslinger-Gruppe haben nun in ihrem Aufbau ein Verfahren implementiert, welches in der Halbleiter-Elektronik als Rastergatemikroskopie (scanning gate microscopy) bekannt ist. Mit dieser Methode hat das Team, unter der Leitung von Jean-Philippe Brantut (mittlerweile an der École polytechnique fédérale de Lausanne), den Fluss von Atomen abgebildet, wenn dieser hauptsächlich durch den Quanten-Tunneleffekt bestimmt wird5 — ein Regime, welches für die elektronische Rastergatemikroskopie ausser Reichweite ist.
Bei der Rastergatemikroskopie wird eine spitze Sonde in einem Kanal positioniert und seine Wirkung auf den Strom aufgezeichnet. Durch Verschieben der Sonde können dann räumliche Abhängigkeiten von Transporteigenschaften bestimmt werden. Das Verfahren wurde ursprünglich zum Studium des elektronischen Transports in Halbleiter-Nanostrukturen eingeführt, wo elektrisch leitende Spitzen als Sonden eingesetzt werden. In den Experimenten der ETH-Physiker werden dahingegen neutrale Atome durch Strukturen transportiert, die durch Lichtfelder definiert werden und als Sonde dient ein fokussierter Laserstrahl (im Bild oben in cyan dargestellt).
Häusler et al. erzielten mit ihrer neuen Methode räumliche Auflösungen in der Grössenordnung der Ausdehnung der Atomwellenfunktion im Transportkanal. Abhängig von der Intensität der Spitze wurde beobachtet, dass die Atome entweder über die Sonde hinwegfliessen oder durch sie hindurchtunneln.
Das Team erwartet, dass das flexibles Rastergatemikroskop für neutrale Atome die Einsatzmöglichkeiten ihrer Quantensimulatoren wesentlich erweitert. Für die Zukunft erhoffen sie sich sowohl fundamentale Erkenntnisse — zum Beispiel bezüglich Fehlstellen in Materialen — wie auch eine skalierbare Methode, um in mesoskopischen Elementen Transport auf der Quantenebene steuern zu können.
1. J.-P. Brantut, J. Meineke, D. Stadler, S. Krinner & T. Esslinger, Conduction of ultracold fermions through a mesoscopic channel. Science 337, 1069 (2012). externe Seite doi: 10.1126/science.1223175
2. D. Stadler, S. Krinner, J. Meineke, J.-P. Brantut & T. Esslinger, Observing the drop of resistance in the flow of a superfluid Fermi gas. Nature 491, 736 (2012). externe Seite doi: 10.1038/nature11613
3. S. Krinner, D. Stadler, D. Husmann, J.-P. Brantut & T. Esslinger, Observation of quantized conductance in neutral matter. Nature 517, 64 (2015). externe Seite doi: 10.1038/nature14049
4. D. Husmann, S. Uchino, S. Krinner, M. Lebrat, T. Giamarchi, T. Esslinger & J.-P. Brantut, Connecting strongly correlated superfluids by a quantum point contact. Science 350, 1498 (2015). externe Seite doi: 10.1126/science.aac9584
5. S. Häusler, S. Nakajima, M. Lebrat, D. Husmann, S. Krinner, T. Esslinger & J.-P. Brantut, Scanning Gate Microscope for Cold Atomic Gases. Physical Review Letters 119,030403 (2017). externe Seite doi: 10.1103/PhysRevLett.119.030403