Von Neugier getrieben
Wir sprachen mit Jonathan Home, dem derzeitigen Departementsvorsteher, über seine Ernennung zum Fellow der American Physical Society (APS), seine Karriere und seine Interessen und Ziele.
Herr Home, was bedeutet die APS Auszeichnung für Sie?
Es ist eine Anerkennung für die Arbeit, die die Gruppe und die Studenten geleistet haben. Schön für mich ist, dass diejenigen, die uns nominiert haben, Menschen sind, die ich sehr respektiere: einige von ihnen waren meine Mentoren, zu denen ich immer aufgeschaut habe. Zu sehen, dass sie unsere Arbeit schätzen, ist freut mich sehr.
Der Forscher ist nicht derjenige, der die richtigen Antworten gibt, sondern derjenige, der die richtigen Fragen stellt. Was halten Sie von dieser Aussage und was waren die richtigen Fragen, die Sie sich gestellt haben?
Das Spannende an der Wissenschaft ist es Fragen zu stellen. Das ist das, was Wissenschaftler tun: Man stellt sich Fragen und kann sie in der Regel nicht beantworten. Dann denkt man etwas intensiver darüber nach, und das wiederum führt dazu, dass man neue Dinge ausprobiert. Zum Beispiel haben wir 2014 das einfachste System untersucht, das man sich in der Quantenphysik vorstellen kann, einen harmonischen Oszillator, und haben uns gefragt, wie man ihn am besten messen kann. Wir hatten einige Ideen, sahen uns theoretische Veröffentlichungen an und probierten Dinge im Labor aus, wobei wir immer neugierig waren, wie das System funktioniert und wie man Informationen aus ihm herausholen kann. Dann hörte ich auf einer Konferenz, wie jemand über Quantenfehlerkorrektur sprach. Das ist etwas, was man braucht, damit ein Quantencomputer funktioniert. Da wurde mir klar, dass das, was dieser Kollege tat, fast identisch war mit dem, was wir im Labor taten. Der Versuch, einen harmonischen Quantenoszillator zu messen, führte uns also dazu, einen Fehlerkorrektur-Code mit gefangenen Ionen zu implementieren. Daraus entstand ein völlig neues Gebiet für unsere Forschungsgruppe. Und es ging darum, die richtigen Fragen zu stellen, anstatt die Antworten zu kennen. Wer Physiker sein will, muss auch geniessen können, wenn Experimente nicht funktionieren; denn die meiste Zeit verbringt man damit, nicht funktionierenden Experimente zu verbessern.
Ist die Quantenfehlerkorrektur etwas, wofür Sie in der wissenschaftlichen Gemeinschaft bekannt sind?
Ich denke, dass dies ein wichtiger Aspekt der Forschung in unserer Gruppe ist, und tatsächlich arbeiteten wir an eher traditionellen Ansätzen, als wir auf die neue Methode stiessen. Für mich war das eine wunderbare Überraschung: In den letzten zehn Jahren, hundert Jahre nach den Anfängen der Quantenmechanik, konnten wir mit einfachen harmonischen Quanten-Oszillatoren immer noch neue physikalische Erkenntnisse gewinnen, obwohl es sich um so einfache Systeme handelt. Der andere Forschungsschwerpunkt meiner Gruppe ist der Aufbau von Quantencomputern im grossen Massstab. Hier geht es vor allem darum, diese Systeme vor den Fehlern (Rauschen) zu schützen, die bei der Skalierung auftreten. Ein wichtiger Aspekt der experimentellen Forschung ist für mich, dass technologische Fortschritte mit physikalischen Fortschritten Hand in Hand gehen. Wenn man über eine neue Technologie verfügt, kann man sich überlegen, wie man sie für neue Forschungen einsetzen kann. Diese Art von Innovation ist ein Schwerpunkt unserer Gruppe, und es gefällt mir, dass wir auf neue Technologien hinarbeiten und dann sehen, wie wir sie für eine bessere physikalische Forschung nutzen können.
Wie weit sind wir von einem funktionierenden Quantencomputer im grossen Massstab entfernt?
Ich denke, es wird noch eine Weile dauern. Die Geräte, die heute in den Labors vorhanden sind, haben in der Regel bis zu ein paar hundert Qubits. Nach meinen Massstäben besteht das grösste mir bekannte System, in Bezug auf funktionierende Qubits, aus etwa 15 Qubits. Und selbst da werden die Fehler gross und beeinträchtigen die Genauigkeit. Um eine aussagekräftige Computerberechnung durchführen zu können, muss man sicher sein, dass das Ergebnis korrekt ist, was bedeutet, dass man die Fehler durch Quantenfehlerkorrektur in den Griff bekommen muss. Man braucht vielleicht tausend ‹gute› Qubits, d. h. Qubits, die perfekt fehlerkorrigiert sind, um etwas Sinnvolles zu berechnen. In unserem Labor würde jedes dieser perfekten Qubits aus hundert oder fünfhundert Ionen bestehen. Für einen brauchbaren Quantencomputer müssten wir also mit fünfhunderttausend Ionen rechnen: Das ist ein viel grösseres Gerät als das, mit dem wir derzeit arbeiten. Die Antwort auf die Frage, wann es soweit sein wird, ist also noch nicht klar. Aber wenn es soweit ist, wird es viele interessante Einblicke in Physik und Chemie geben. Eine physische Erkenntnis, die ich bereits gewonnen habe, ist die Quantenfehler-korrektur: Sie war völlig undenkbar, bevor man begann, über Quantencomputer nachzudenken. Aber sie sagt uns etwas sehr Grundlegendes über die Physik: dass man Quantenzustände nach Belieben vor Rauschen schützen kann, was bedeutet, dass die Quantenkohärenz in einigen Systemen sehr lange erhalten bleiben kann.
Ein japanisches Sprichwort besagt: Derjenige, der 15 Minuten länger durchhält, gewinnt. Inwiefern hat der Aspekt des «Nicht-Aufgebens» eine Rolle in Ihrer Arbeit gespielt?
Zufälligerweise ist meine Frau Japanerin! Sie würde sagen, es war «die Geduld, mit der man diese Experimente aufbaut». Es dauert mehrere Jahre, unsere Art von Experimenten aufzubauen, und wir - vor allem meine Studenten - hatten alle die Geduld, weiterzumachen. Meistens gehen die Dinge zum falschen Zeitpunkt schief, man braucht also wirklich viel Geduld. Ob dies der Aspekt ist, der es einem ermöglicht, am Ende zu gewinnen? Nun, ich denke nicht in Kategorien wie ‹gewinnen›. Ich lasse mich nicht gerne in ‹Forschungs-Rennen› hineinziehen. Das war für uns zu Beginn ziemlich nützlich, da wir etwas ganz anderes gemacht haben als alle anderen. Ich denke, in der Forschung geht es eher darum, das zu erforschen, was anders ist, als mit allen anderen gleichzuziehen. Manchmal braucht man Durchhaltevermögen - aber es ist nicht verkehrt, wenn man sich festgefahren hat, die Dinge für eine Weile auf Eis zu legen. Mein Gehirn funktioniert so: Ich löse Probleme, wenn ich etwas ganz anderes mache. Wenn es also nicht weiter geht, sollte man vielleicht über einen anderen Ansatz oder sogar über ein anderes Problem nachdenken.
Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie fast alles in Ihrer Forschung erreicht haben? Oder haben Sie noch viele weitere Ziele auf Ihrer Wunschliste?
Ich habe keineswegs das Gefühl, dass ich schon alles erreicht habe. Ich bin in die Naturwissenschaft eingestiegen, weil ich meine Grenzen ausloten wollte. Ich habe mir vorgenommen: Wenn ich an meine Grenzen stosse, dann mache ich etwas anderes. Das ist nie wirklich passiert - ich habe immer festgestellt, dass das nicht der Fall war. Ich habe einige Grenzen gefunden, aber ich konnte immer noch Wege finden, mich weiterzuentwickeln. Und ich habe immer noch Spass an der Physik. Ich mag auch die Menschen, und in meinem Job als Departement-Vorsteher finde ich es interessant zu sehen, wie die Menschen arbeiten. Aber ich setze mir nicht wirklich Ziele, es ist eher die Neugier, die mich antreibt. Es wäre sicherlich ein Traum, die Kontrolle über die Quantenfehlerkorrektur zu erlangen. Ich würde gerne sehen, wie grosse Systeme mit Fehlerkorrektur funktionieren, und einen Weg finden, die Quantenfehlerkorrektur effizienter umzusetzen. Vielleicht durch einen neuen Ansatz, den wir noch nicht entdeckt haben.
Und privat, wenn ich das fragen darf?
Natürlich möchte ich, dass es meinen Kindern gut geht und sie glücklich sind. Aber darauf hat man wahrscheinlich weniger Einfluss als auf alles andere in seinem Leben, denn sie sind Individuen.
Wer ist Jonathan Home außerhalb des Physik-Departement?
Eines meiner Hobbys ist Geige spielen; seit kurzem spiele ich auch Tennis. Ausserdem lese ich viel. Der grösste Teil meines Lebens ausserhalb der Arbeit widmet sich meiner Familie. Ich versuche mein Bestes, um mit ihnen zusammen zu sein, auch wenn die vielen Reisen für die Arbeit für meiner Frau sicherlich eine Belastung sind.
Ausserdem macht mir die Physik so viel Spass, dass es für mich nicht wirklich Arbeit ist, wenn ich mich am Wochenende zu Hause mit Physik beschäftigte. Ich glaube, ich bin auch ein Tagträumer, und ich habe das Gefühl, dass Wissenschaft viel mit Tagträumen zu tun hat. Das heisst, man muss sich Zeit nehmen, um Gedanken und Ideen zu verarbeiten. Ich finde die Zeit dafür, wenn ich auf Reisen bin, wenn sich zum Beispiel eine Reise verzögert hat. Das Geigenspiel hilft mir dabei: Ich vergesse, was ich gerade spiele, und denke an etwas ganz anderes.