Ein neuer Pfad für Elektronenoptik in Festkörpersystemen
- Laboratory for Solid State Physics (LFKP)
- Institute for Theoretical Physics (ITP)
In einer kombinierten theoretischen und experimentellen Arbeit beschreiben und demonstrieren ETH-Forschende einen neuartigen Mechanismus für Elektronenoptik in zweidimensionalen Festkörpersystemen. Die Entdeckung eröffnet neue Wege zur Erkundung von quantenoptischen Phänomenen in einer Vielzahl von Materialien und elektronischen Bausteinen.
Elektronen können auf die gleiche Weise interferieren wie Wasser-, akustische oder Lichtwellen. Die Nutzung solcher Effekte in Festkörpermaterialien verspricht neuartige Funktionalität für elektronische Bausteine, in denen Elemente wie Interferometer, Linsen oder Kollimatoren zur Steuerung von Elektronen im Mikro- und Nanometerbereich integriert werden könnten. Bisher wurden solche Phänomene jedoch hauptsächlich in eindimensionalen Systemen realisiert, beispielsweise in Nanoröhren, oder unter bestimmten Bedingungen in zweidimensionalen Graphen-Systemen. In der Fachzeitschrift Physical Review X stellen nun ETH-Forschende aus den Gruppen von Klaus Ensslin, Thomas Ihn und Werner Wegscheider im Labor für Festkörperphysik sowie von Oded Zilberberg am Institut für Theoretische Physik ein neues allgemeines Szenario für Elektronenoptik in zwei Dimensionen vor.
Das Hauptfunktionsprinzip optischer Interferometer ist die Interferenz monochromatischer Wellen, die sich in die gleiche Richtung ausbreiten. Bei solchen Interferometern kann die Interferenz als periodische Modulierung der durchgelassenen Lichtintensität beobachtet werden, wenn die Wellenlänge der optischen Wellen variiert wird. Die Periode des Interferenzmusters hängt jedoch stark vom Einfallswinkel des Lichts ab, und infolgedessen wird das Interferenzmuster herausgemittelt, wenn Licht unter allen möglichen Einfallswinkeln gleichzeitig durch das Interferometer geschickt wird. Die selben Argumente gelten für die Interferenz von Materiewellen, wie sie von der Quantenmechanik beschrieben werden, und insbesondere für Interferometer, in denen Elektronen interferieren.
In ihren Doktorarbeiten haben der Experimentalphysiker Matija Karalic und der Theoretiker Antonio Štrkalj – in einer Zusammenarbeit im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts QSIT – das Phänomen der elektronischen Interferenz in einem Festkörpersystem untersucht, das aus zwei gekoppelten Halbleiterschichten, InAs und GaSb, besteht. Sie entdeckten, dass die in diesem System vorhandene Bandeninversion und Hybridisierung einen neuartigen Transportmechanismus darstellt, der Interferenz für sämtlich möglichen Einfallswinkel sicherstellt. Durch eine Kombination aus Transportmessungen und theoretischer Modellierung fanden sie, dass ihre Systeme wie ein Fabry-Pérot-Interferometer funktionieren, in dem Elektronen und Löcher Hybridzustände bilden und interferieren.
Die Bedeutung dieser Ergebnisse geht weit über die in dieser Arbeit untersuchten InAs/GaSb-Systeme hinaus, da der beschriebene Mechanismus ausschliesslich die beiden Zutaten der Bandeninversion und Hybridisierung erfordert. Damit stehen nun neue Wege zur Entwicklung elektronenoptischer Phänomene in einer Vielzahl von Materialien offen.
Literaturhinweis
Karalic M, Štrkalj A, Masseroni M, Chen W, Mittag C, Tschirky T, Wegscheider W, Ihn T, Ensslin K, Zilberberg O. Electron-hole interference in an inverted-band semiconductor bilayer. Phys. Rev. X 10, 031007 (2020). externe Seite doi:10.1103/10.1103/PhysRevX.10.031007