Studierende beobachten extrasolare Planeten
Anfang Oktober 2019 haben zwei Schweizer für die Entdeckung von Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems den Nobelpreis für Physik erhalten. Doch wie lernt man neue Planeten zu entdecken? Zwei Physikstudenten und ein Student im Bachelor Interdisziplinäre Naturwissenschaften an der ETH Zürich haben kürzlich selbständige Projekte zur Suche von extrasolaren Planeten mit dem Studienteleskop realisiert.
In der Astrophysik sind Daten und mathematische Methoden zentral. Zur Messung eines Exoplaneten, wie extrasolaren Planeten auch genannt werden, gehören neben der Beobachtung mit dem Teleskop auch Algorithmen, Datenanalyse, Modelle und Statistiken. Das tönt erst mal theoretisch, doch praktisch ist jede Messung – wenn sie von der Erde aus gemacht wird – auch von Wetter- und Umwelteinflüssen abhängig. Eine Erfahrung, wie einer der Studenten sagt, die für die spätere Interpretation der Daten wertvoll ist.
Mit Eigeninitiative zum eigenen Projekt
Einige Bachelorstudenten der ETH Zürich haben sich unabhängig voneinander mit der Idee zu einer Semesterarbeit in der Astrophysik bei ETH-Professor Sascha Quanz, Leiter der Forschungsgruppe Exoplanets and Habitability gemeldet. Das hat sich gelohnt, sind sich die Studenten Sven Kiefer, Adrian Gheorghe und Thomas Birbacher einig. Denn oft zögerten Studierende sich aus eigener Initiative mit Projektideen an Professorinnen und Professoren zu wenden; zu Unrecht, finden die drei Studenten. Denn ihre Idee, mit dem externe Seite Studienteleskopauf dem höchsten Gebäude des ETH-Campus Hönggerberg in Zürich extrasolaren Planeten zu beobachten, ist rasch auf offene Ohren gestossen.
Was kann beobachtet werden?
Heute erforschen Astrophysikerinnen und Astrophysiker neue Exoplaneten mit grossen Weltraumteleskopen wie «TESS». Störfaktoren wie Bewölkung, Lichtverschmutzung und Luftturbulenzen werden damit eliminiert. Von der Erde aus sind aber ganz andere Hürden zu überwinden. Die Wahl für das Semesterprojekt fällt deshalb auf die Beobachtung eines bereits bekannten grossen «Hot Jupiter», da ein kleinerer Planet mit dem Studienteleskop kaum mehr zu beobachten ist. Für die Suche nach unbekannten Exoplaneten können später dieselben Methoden auf anderen Teleskopen angewendet werden.
Was ist ein Hot Jupiter Transit?
«Hot Jupiter» sind Gasriesen, ähnlich dem Jupiter in unserem Sonnensystem jedoch mit Umlaufbahnen von nur einigen Stunden bis wenigen Tagen. Sie decken das Licht ihres Sterns beim sogenannten Transit ab – ähnlich wie bei einer Sonnenfinsternis – und diese periodischen Verdunkelungen kann man mit einem Teleskop messen. Die häufigen Transits eines Hot Jupiter erhöhen die Chance, dass Studierende die Beobachtung innerhalb eines Semesters mit einem überzeugenden Resultat abschliessen können, denn aus wissenschaftlicher Perspektive muss ein Transit drei Mal sauber gemessen werden, um einen Exoplaneten zu bestätigen. Vom Weltraum aus gesehen deckt der Planet Erde unsere Sonne zum Beispiel nur ein Mal pro Jahr ab. Bei besten Wetterverhältnissen müsste man also mindestens drei Jahre lang beobachten. Damit wird nachvollziehbar, weshalb die meisten bereits entdeckten Exoplaneten kurze Umlaufbahnen haben.
Wird die Beobachtung gelingen?
Adrian Gheorghe und Sven Kiefer wählten die Wintermonate zur Beobachtung der nördlichen Hemisphäre und brauchten viel Ausdauer und Methodik; denn im vergangenen Winter war der Himmel fast durchgehend bewölkt. Erst im März konnten sie während zehn Nächten Messungen vornehmen. Zwei davon waren erfolgreich – trotz des störenden Einflusses des nahen Flughafens! Die Messungen zeigen klar, wie der Hot Jupiter mit Namen «HAT-P-44 b» beim Umrunden seines Sterns rund zwei Prozent der Helligkeit abdeckt.
Motiviert dranzubleiben hat sie – neben der guten Methodik und Zwischenerfolgen – auch die Freiheit und Unterstützung innerhalb der Forschungsgruppe. Luca Tortorelli, der in den letzten Jahren auch der verantwortliche Lehrassistent für das HPP-Teleskop war, und der Doktorand Silvan Hunziker ubegleiteten die Studenten bei ihrem Projekt.
Denn ob es tatsächlich gelingen würde, einen Exoplaneten vom ETH Campus Hönggerberg mit der Transitmethode zu beobachten, war zu Beginn des Projektes noch offen.
Methodik und Algorithmen stützen die Beobachtung
Bereits nach den ersten zwei Jahren Studium eigenständig zu forschen, hat den Studenten Spass gemacht. Dafür haben sie Algorithmen geschrieben, die sie beim Beobachten unterstützten und Daten aus Referenzdatenbanken bereits erforschter Exoplaneten und Wettervorhersagen kombinierten. Versprach das Programm eine Chance zur Beobachtung, lohnte sich auch eine Übernachtung neben dem Teleskop. Pro Nacht machten sie 100-200 Bilder. Auf diese Beobachtungen folgte das Semesterprojekt von Tomas Birbacher, mit dem Ziel, die Datenanalyse der erhobenen Daten zu verbessern.
30-50 GB Daten sind pro Nacht entstanden und diese hat Thomas Birbacher auf der Suche nach dem rund zweistündigen Transit analysiert; von Auge ist die geringe Abweichung der Lichtkurve, die beim Transit entsteht, nicht zu erkennen.
16 Millionen Sterne – welches ist der gesuchte?
In der Referenzdatenbank sind Daten von 16 Mio. Sternen (Sonnen), die mit den Sternen auf den neu erstellten Bildern abgeglichen werden müssen. So wird klar, welche Sterne auf den Aufnahmen des Teleskops zu sehen sind. Sind diese nicht bei optimalen Wetterverhältnissen entstanden, sollen speziell erstellte digitale Filter «Nebengeräusche» reduzieren. Thomas Birbacher programmierte deshalb die Funktionen explizit für das Studienteleskop. Wie wichtig das Zusammenspiel von Beobachtung, technischem Equipment, cleveren Algorithmen, Statistiken und spezifische Datenanalyse für die wissenschaftliche Erkenntnis ist, wir dabei rasch klar.
Legende: Die schwarzen Datenpunkte im oberen Teil der Grafik zeigen die gemessene Helligkeit des Sterns als Funktion der Zeit. Die blaue Linie zeigt den Helligkeitsverlauf – unter Berücksichtigung der nicht zu vermeidenden Messfehler. Zu Beginn der Kurve ist der Planet noch neben dem Stern. Man misst die normale Sternhelligkeit (= 1) als Referenz. In der Mitte der Kurve ist der Planet direkt vor dem Stern und erzeugt die maximale Verdunkelung von ca. zwei Prozent der Lichtintensität. Am Ende der Kurve ist der Planet komplett vor dem Stern vorbeigezogen; man sieht wieder die normale maximale Helligkeit. Der Planet zieht innerhalb weniger Stunden vor den Sternen vorbei, wie die Zeitachse (Time) zeigt.
Der untere Teil (Residuals) zeigt die gesamten Messdaten minus den oberen Teil. Also den Rest der Messung, die nicht für den sog. «Fit» im oberen Teil verwendet wurde.
Gute Vorbereitung: Astrowoche und Praktikum
Die Studenten hatten sich im Vorfeld zum Teil bereits in der Astrowoche, einem Praxisangebot des Departements Physik, und dem Physikpraktikum 3+4 Praxis angeeignet und rasch festgestellt, wie viel Spass ihnen diese Herausforderungen machen. Alle drei haben sich unterdessen für ihren Master auf dem Gebiet der Exoplaneten-Forschung spezialisiert.