Masterstudierende auf den Spuren eines Nobelpreises
Rund 25 Jahre nach der ersten Herstellung des Bose-Einstein-Kondensats arbeiten heute Masterstudierende im Departement Physik der ETH Zürich in diesem Feld. Sie verfolgen mit einem spannenden Experiment die Spuren der drei Physiker, die dafür 2001 den Nobelpreis erhielten.
Hinter der unscheinbaren Türe zum Labor für Quantenoptik überrascht eine Welt von Lasern, Vakuumpumpen, Spiegeln und bunten Kabelsträngen. Im Physiklabor von ETH-Professor Tilman Esslinger werden Atome gefangen und damit grundlegende Experimente zur Vielteilchenphysik durchgeführt. Der Masterstudent Simon Hertlein baut hier, zusammen mit Mitstudierenden, am ersten Schritt zu einem Experiment, dass letztlich das Herstellen des Bose-Einstein-Kondensats für die Studierenden in der Praxis nachvollziehbar macht – und damit die wissenschaftliche Arbeit, die 2001 zum Nobelpreis für Physik führte.
Von Studierenden für Studierende
Die Studierenden bauen im Labor gemeinsam eine magneto-optischen Falle, kurz MOT. Dr. Andrea Morales und Joaquin Minguzzi aus der Forschungsgruppe von Prof. Tilman Esslinger betreuten verschiedene Generationen von Studierenden bei Konstruktion und Aufbau der MOT, einer Vorstufe auf dem Weg zum Bose-Einstein-Kondensat. Seit Februar 2019 ist die Falle fertig und ist nun ins Physikpraktikum des Departements Physik der ETH Zürich integriert worden, wo Studierende bereits jetzt damit experimentieren. Masterstudierende bauen also für nachfolgende Studierende die Versuchsanordnung auf und werden sie in Zukunft im Labor auch noch erweitern. So lernen sie die praktische Seite der Quantenphysik in der Grundlagenforschung kennen.
Forschungsorientierter Master an der ETH Zürich
Bevor Simon Hertlein an die ETH Zürich kam, absolvierte er sein Bachelorstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er hatte aus mehreren Gründen entschieden, den anderthalb Jahre dauernden Master an der ETH Zürich zu machen: Die Gelegenheit, aufgrund seiner Bewerbung, im Labor für Quantenoptik arbeiten zu können, war das wichtigste Argument für ihn nach Zürich zu kommen. Er bereut es nicht. Das MOT-Projekt und die Zusammenarbeit mit Mitstudierenden und der Forschungsgruppe begeistern ihn. Er fühlt sich gut in die Forschungsgruppe eingebunden und schätzt die engagierte Betreuung sehr. Ebenfalls ausschlaggebend für seine Wahl war das zugesprochene ESOP-Stipendium, um das er sich bei der ETH Zürich beworben hatte.
Excellence Scholarships
Mit den Excellence Scholarships, kurz ESOP, fördert die ETH Zürich die besten Studierenden beim Master an der ETH Zürich. Das Stipendium erlaubt zum Beispiel Simon Hertlein sich ganz auf seine Arbeit zu fokussieren. So kann er ab und zu zeitsparend in der Mensa essen, anstatt zu kochen und ist auf keinen Nebenjob angewiesen, wie er sagt. Zusätzlich bietet das ESOP Vernetzung zu Mitstudierenden und zur Industrie an.
Meet the Talent
Im Namen der ETH-Rektorin Prof. Dr. Sarah M. Springman und Schirmherrin des ESOP-Programms, lädt die ETH Foundation mit dem jährlichen Anlass «externe Seite Meet the Talent» zum Treffen zwischen Gönnerinnen und Gönnern und den geförderten Studierenden – am 10. April 2019 waren es rund zwanzig Studierende aus zehn Departementen der ETH Zürich. Hier präsentierte Simon Hertlein seine Masterarbeit «Einfangen und ultrakaltes Kühlen von neutralen Atomen». Dieser Anlass bietet zusätzlich die Möglichkeit, sich über Generationen hinweg zu vernetzen. externe Seite (Video)
Weshalb ultrakaltes Kühlen von Atomen?
Das Ziel ist es, die Atome für die Forschung praktisch zum Stillstand zu bringen. Dafür kühlen Forschende sie ab – auf weniger als ein Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt, der bei -273.15 °C liegt. Nur so ist es möglich, Atome in der selbst gebauten magneto-optischen Falle (MOT) einzufangen, erklärt Simon Hertlein. Bei Raumtemperatur bewegen sich Atome nämlich mehrere hundert Meter pro Sekunde. Zwar wird mit Lasern oft grosse Hitze erzeugt und Material zerschnitten, in der MOT aber werden Laser zur Kühlung verwendet. Mittels Laser, Ionengetterpumpen und eines Magnetfelds gelingt es den Studierenden die Rubidiumatome im Experiment so zu kühlen, dass sie eingefangen und beobachtet werden können.
Was tun die Atome in der Falle?
Die Studierenden müssen das Konzept gut verstehen, um die vielen Optionen von Lasern und Magnetfeld so zueinander justieren zu können, bis sich die Atome in der Falle zu einer dichten Wolke bündeln. Das Schlimmste ist, meint Simon Hertlein, wenn während diesem Prozess plötzlich die Pumpe aussteigt. Wenn jedoch alles klappt, erstrahlt die Wolke aus Atomen im Laserlicht und kann so von blossem Auge beobachtet werden! Der erste Schritt auf dem Prozess zum Kondensat ist geschafft.
Grosse Motivation
Das kompetitive Umfeld, in dem sich Masterstudierende befinden, empfindet Simon Hertlein meist als positive Herausforderung. Neben der spannenden Arbeit im Labor und der erfolgreichen Zusammenarbeit der Studierendenden beim MOT-Projekt darf auch die Theorie nicht zu kurz kommen. Schliesslich sind bald Prüfungen. Doch auch in den Vorlesungen fliesst die Praxis ein: Mit Stolz erinnert sich Simon Hertlein, dass Prof. Tilman Esslinger das durch die Studierenden erstellte Video der leuchtenden Atome während der Vorlesung abspielte.