Ein Blick in die "Speisekammern" von schwarzen Löchern
Die bisher umfangreichste Durchmusterung zur Erfassung von wachsenden supermassiven schwarzen Löchern, durchgeführt von einer internationalen Kollaboration mit ETH-Beteiligung, gibt Antworten darauf, wie die nähere Umgebung solcher schwarzen Löcher geformt wird.
Sehr massive schwarze Löcher, eine Million bis Milliarden Mal schwerer als unsere Sonne, bilden die Zentren von Galaxien, auch unserer eigenen Milchstrasse. Einige von diesen wachsen indem sie sich Material aus ihrer Umgebung einverleiben. Ein Kennzeichen solcher wachsenden schwarzen Löcher ist, dass sie Licht emittieren, welches entsteht, wenn sich die Staubwolke rund um das schwarze Loch durch Reibung erhitzt. Dieses Licht ist oft derart intensiv, dass es jenes überstrahlt, das von allen Sternen in der Galaxie kombiniert emittiert wird. Dadurch wird es möglich, die Umgebung von wachsenden schwarzen Löchern zu beobachten. Dies hat ein internationales Team mit Astronomen der ETH Zürich nun gemacht, in einem noch nie dagewesenen Umfang. Sie haben die bislang grösste Durchmusterung von wachsenden supermassiven schwarze Löcher durchgeführt, und ihre Daten erlauben einzigartige Rückschlüsse auf das Zusammenspiel, dem das staubige Gas rund um schwarze Löcher unterworfen ist: einerseits durch die enorme Anziehungskraft des schwarzen Lochs und andererseits durch den intensiven Lichtdruck. Die Ergebnisse der Studie wurden heute in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
Einzigartige Einblicke dank Röntgenbilder aus dem Weltraum
Die grossen Mengen an Gas und Staub, welche die meisten leuchtenden schwarzen Löcher umgeben, verteilen sich in einer ringförmigen Struktur, einer Art "Speisekammer", die das schwarze Loch weiter wachsen lässt. Um in diese Speisekammern hineinzublicken, benutzte das Team, bestehend aus Forschern aus Chile, den Vereinigten Staaten, Japan und der Schweiz, Röntgenstrahlen. Ähnlich wie Ärzte mittels Röntgenbildern Einblicke in ihre Patienten erhalten, können Astronomen Röntgenbeobachtungen verwenden, um in Bereiche des Weltraums zu blicken, die sichtbares Licht blockieren — einschliesslich der staubigen Regionen rund um schwarze Löcher. Diese Röntgenaufnahmen aus dem Weltraum bilden wiederum die Grundlage, um die Menge an Material zu messen, das eine grosse Anzahl von schwarzen Löchern umgibt, und um die Evolution dieses Materials zu studieren.
Das Projekt wurde 2013 als eine internationale Zusammenarbeit begonnen, sagt Dr. Benny Trakhtenbrot, ein ETH-Zwicky-Prize-Fellow. "Es hat einige Jahre gedauert, bis wir alle Daten gesammelt hatten und die Massen von schwarzen Löchern mittels mehrerer boden- und satellitenbasierten Teleskopen messen konnten." Die Massen von schwarzen Löchern zu messen ist eine Herausforderung, und eine grosse Zahl von Studenten haben in dem Projekt mitgewirkt und Teile der Analyse durchgeführt. Als endlich alle Daten vorlagen, eröffneten sich dem Team neue Einblicke in die Umgebungen von schwarzen Löchern. Dr. Claudio Ricci, Erstautor der Studie, erklärt: "Das intensive Licht, das in der Umgebung eines schwarze Lochs emittiert wird, drückt das Material in seiner Nähe weg und überwiegt gegenüber der enormen Schwerkraft des schwarzen Lochs." Mit anderen Worten, die grosse Energiemenge, welche durch die in das schwarze Loch fallende Materie freigesetzt wird, kann das Gas verdampfen. Wenn das schwarze Loch also zu gierig Materie verschlingt, dann kann die erzeugte Energie das "Futter" für weiteres Wachstum verfliegen lassen.
Erst am Anfang
Bisher dachten Astronomen, dass die innere Schicht des Torus um ein wachsendes schwarzes Loch allmählich zurückgeht, wenn das schwarze Loch immer schneller wächst. Die neue Studie zeigt jedoch, dass dies nicht der Fall sein muss. Stattdessen verschwindet bei bestimmten Wachstumsraten das meiste des Materials, das den Blick auf das schwarze Loch verstellt. Was übrigbleibt ist ein fast nackter Quasar — ein schwarzes Loch ohne seinen Torus. "Es war immer eines der grossen Probleme in der Astrophysik, die Struktur der Materials rund um wachsende schwarze Löcher zu verstehen", sagt ETH-Professor Kevin Schawinski. "Wir können nicht einfach Bilder von diesen Systemen aufnehmen und schauen, was vor sich geht ist. Nun, da wir besser verstehen, wie Quasare arbeiten, können wir dieses Wissen nutzen, um viele andere Beobachtungen besser interpretieren und die Systeme besser verstehen zu können. "
Das Team ist also bei weitem noch nicht fertig mit seiner Arbeit. Sie werden weiterhin wachsende schwarze Löcher im umliegenden Universum mit Teleskopen rund um die ganze Welt und im Weltraum beobachten. "Dies ist erst der Anfang, die Früchte unserer harten Arbeit zu ernten", ist Michael Koss, Mitautor der Studie und ein früherer SNF-Ambizione-Fellow an der ETH Zürich, überzeugt. "Wir werden mehr von diesen schwarzen Löchern beobachten, und ich bin sicher, dass uns die Natur weiterhin überraschen wird."
Literaturhinweis
Claudio Ricci, Benny Trakhtenbrot, Michael J. Koss, Yoshihiro Ueda, Kevin Schawinski, Kyuseok Oh, Isabella Lamperti, Richard Mushotzky, Ezequiel Treister, Luis C. Ho, Anna Weigel, Franz E. Bauer, Stephane Paltani, Andrew C. Fabian, Yanxia Xie & Neil Gehrels, The close environments of accreting massive black holes are shaped by radiative feedback. Nature (advance online publication). externe Seite doi:10.1038/nature23906